Donnerstag, 12. Juli 2007

Mixtape Update
Sunny Sunday Morning
Track 6. Chuck Prophet


Viele halten den Mann ja für einen ziemlichen Kotzbrocken. Auch hat er schon so manch arg durchwachsenes Soloalbum vorgelegt. Aber für ein paar richtig grandiose Songs ist er noch immer und immer wieder gut.

Track 6.
Chuck Prophet – Summertime Thing
Wir hatten uns ja eigentlich auf eher kurze Songs geeinigt, aber R-Man und Whirlyjoe sind ja nun beide als recht undogmatische Menschen bekannt, darum sei mir ein Über-Fünf-Minüter gestattet. Das ist schon lange einer meiner All-Time-Favorites und stand als erster auf der Liste. Die Unstimme des Ex-Green On Red Chuck Prophet in einem relaxten, sommerlichen Popsong, veredelt durch die wunderschöne Pedal-Steel von Greg Leisz.

Immer wieder schön der Reim:“ ...keys to the Honda - ...wanna hear ‘Help Me Rhonda’ ”. Erschienen auf der CD/LP No Other Love (2002), eine der zwar späteren aber durchaus empfehlenswerteren Solo-Werke. Eine neue CD erscheint im Herbst auf Cooking Vinyl, wie gut unterrichtete Kreise berichten. (K-Nut)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Stimmt, Chuck Prophet ist nicht unbedingt ein Sympathieträger, aber was er etwa gegen Ende 2005 als Soloshow im Kölner Blue Shell hingelegt hat, war schon beeindruckend. Ein exzellenter guitarist begleitet mit einer old school rhythm box zeigte er doch sehr viel Selbstironie, und die reduzierte Instrumentierung strich die gute Qualität seiner Songs heraus. Ein gelungener spannender Abend war das. Trotzdem bin ich mit deiner Wahl überrascht, K-nut.
André

Anonym hat gesagt…

...tja, da gräme ich mich auch heute noch, daß ich diesen gig verpasst habe!
Gruß nach Berlin

Anonym hat gesagt…

Dafür wirst Du viel Spaß bei Steely Dan in Bonn haben! War schön in Berlin. Gruß André:

Türkis trug das Krokodil
Steely Dan gaben in der Zitadelle Spandau ein fast perfektes Konzert
Jens Balzer

Am Sonntagabend war in der lauschigen Atmosphäre einer alten Wehranlage aus dem 16. Jahrhundert in Spandau - im nahen Zitadellenteich rülpsten die Kröten, der Himmel war schwarz wegen der am Nachmittag überraschend aufgetauchten neuen Berliner Monstermücken - die coolste Oberlippe der Welt zu besichtigen; sie ist zynisch gewellt wie ein Krokodilskiefer und sitzt in einem von einer großen adlerschnabelförmigen Nase dominierten Gesicht. Die Oberlippe gehört Donald Fagen, dem krokodilhaften Keyboarder und Sänger des kalifornischen Duos Steely Dan; gemeinsam mit dem Gitarristen Walter Becker und einer zehnköpfigen Tour-Begleitung spielte sich Fagen am Sonntagabend zwei Stunden lang durch das Repertoire seiner Band: "ein paar neue Sachen und ganz viel Musik aus den Siebzigern". Beide waren perfekt aufeinander abgestimmt: Während Fagen im Casual-Anzug mit türkisfarbenem T-Shirt und türkisfarbenen Turnschuhen auf die Bühne kam, hatte Becker sich eine türkisfarbene Gitarre umgehängt. Die ersten Stücke - "Time out of Mind" und "Godwhacker" - verbrachte Fagen an der Melodika, die er, wenn er nicht gerade wild in sie blies, auf der Schulter trug wie ein Bauarbeiter einen Stahlträger; dazu sang er mit steif nach links abgeknicktem Hals, wie ein Krokodil, das gerade gähnt.

In den Siebzigerjahren, auf dem ersten Höhepunkt ihrer Karriere, hatten Steely Dan den für sie charakteristischen Klang-Fetischismus so weit getrieben, dass sie keine Konzerte mehr geben wollten - unter den "erbärmlichen" Bedingungen des Live-Entertainment sei ihre Musik nicht angemessen reproduzierbar. Seit 2000 touren Becker und Fagen nun doch wieder gelegentlich mit einer Tour-Band; wie kaum anders zu erwarten war, waren die Mietmusiker ebenso tadellos wie der Sound - für eine Open-Air-Veranstaltung war dieser geradezu spektakulär. Zwar fehlte dem Klangbild die Tiefe und Dreidimensionalität der Studio-Aufnahmen, wo noch die scheinbar schlichteste Melodielinie auf ein paar Dutzend Klangschichten liegt. Doch wie etwa Beckers Gitarre sich führend und unaufdringlich, prägnant und doch niemals über die mittleren Frequenzen hinausstrebend ins gesamte Klangbild fügte - das war mehr als eindrucksvoll.

Begleitet wurden Becker und Fagen unter anderem von vier Bläsern und zwei Chorsängerinnen; eine Big-Band-Anmutung, die dadurch noch bekräftigt wurde, dass die filigran ziselierten Arrangements immer wieder durch langwierige "Jeder darf auch mal was spielen"-Soli-Stafetten unterbrochen wurden. Bei den jüngeren, also vom Ende der Siebzigerjahre stammenden Stücken funktionierte diese gelegentlich etwas unkonzentrierte Öffnung ins Ensemble-Spiel besser als bei den älteren Songs. Der Schwerpunkt des Programms lag denn auch auf "Aja" und "Gaucho", den letzten beiden Platten, die Steely Dan vor ihrer 20-jährigen Schaffenspause eingespielt hatten; jazzhaft unterwirbelte Pop-Perlen mit schmeichelhaftem, ätherischen Gesang und vor allem: viel freiem Raum zur improvisierenden Ausfüllung.

Das älteste Stück des Abends, "Dirty Work" - von der 1972er LP "Can't Buy A Thrill", damals noch von dem ersten Sänger der Band, David Palmer, im Neil-Young-artigen Wimmerfalsett dargeboten - überließen Becker und Fagen den beiden vorzüglichen Sängerinnen, wodurch aus dem kalifornisch-wüstenstaubigen Folkrock-Stück eine voluminöse Soulnummer wurde. Eine so lässige, so souveräne Umarbeitung der eigenen Geschichte gelingt wenigen; umso erstaunlicher, dass auch dies mit einem Solo auf der gestopften Trompete unnötig perforiert wurde.

Doch das sind Kleinigkeiten der Kritik an einem fast perfekten Abend, mit Perlen wie "Pretzel Logic", "Babylon Sisters" oder dem grandiosen "Peg" mit dieser wunderbaren synkopierten kleinen Bläserfigur, die dann Ende der Achtzigerjahre als Sample in De La Souls "Eye Know" um die Welt ging. So perfekt war der Abend, dass man auch geschmackliche Entgleisungen ertrug, die man keiner anderen Band auf der Welt durchgehen lassen würde, zum Beispiel die David-Sanborn-artigen Alt-Saxofon-Einlagen - oder ein mit dem ganz dicken Daumen geslabbtes Bass-Solo bei der Vorstellung der Musiker. "Diesen Teil des Abends mag ich immer am liebsten", sagte Donald Fagen nach der Präsentation seiner Band und zog seine Krokodilsoberlippe zu einem höhnischen Lachen: "Bei jedem Konzert denken wir uns für diese Typen andere Namen aus!"

Berliner Zeitung, 17.07.2007