Mittwoch, 8. August 2007

Isaac Hayes
Schokokeks im
Disco-Fieber
Der Fortsetzungsroman
Kapitel 4

Diesmal der ganze Rest, den Fokus auf die eher raren Perlen des Spätwerks gerichtet.

Aber erst mal zum Auflockern das Video oben: wegen solcher Clips muss man YouTube doch einfach lieben: Playas Unite!
Und weiter mit den Alben:

Chocolate Chip (1975)
Das letzte eher klassische Soul-Album von Isaac Hayes, das von ihm erstmals in seinem eigenen Studio in Memphis arrangiert und produziert wurde. Es repräsentiert nochmals alle Stärken seines typischen Sounds, bevor er sich dann nicht immer ganz geschmackssicher dem Disco-Sound zuwandte. Die Arrangements der größtenteils im mittleren Tempo gehaltenen Soul-Dramen sind wie immer opulent, die Horns kommen in gewohnter Qualität von The Movement. Das Album bietet sechs Eigenkompositionen von Isaac Hayes, dazu kommt noch der von Tony Joe White geschriebene Opener "That Loving Feeling" mit einem wirklich unglaublichen Ein-Ton-Bass, der den Song zu einem weit unter der Oberfläche groovenden Burner werden lässt. "Body Language" ist die zu erwartende Ode an die "universal joys of making love" geworden. Der dynamische Titeltrack kommt in einer zusätzlichen Instrumental-Version, auf der die funky WahWah-Gitarren noch besser zur Geltung kommen. Die ganze Klasse des selbsternannten Black Moses kommt auch im abschließenden "I Can't Turn Around" zur Geltung, das als luftiger Soul-Pop-Song anfängt, sich dann aber zu einem furios-psychedelischen Gitarrenexzess mit hypnotischen Qualitäten entwickelt. Und das Kekscover finde ich ja auch ganz hervorragend.

Disco Connection (1976)
Der Titel sagt (beinahe) alles: der Black Moses springt auf den Disco-Zug auf und geht erst mal ziemlich baden. Seichte Instrumental-Tunes in unterschiedlichen Tempi sorgen für Langeweile, denn tatsächlich: Hayes singt hier gar nicht. Keine gute Idee und insgesamt ein fast komplett enttäuschendes Album, wäre da nicht der herausragende Titelsong: ein hypnotischer Parforce-Ritt durch die Disco-Funk-Hölle mit grandiosem Peitschen-Groove und euphorischen Streichern, satt produziert und ein echter Floorfiller – ganz klar einer meiner Alltime-Disco-Faves. Aber der Rest ist bis auf die ordentliche Soul-Nummer „Disco Shuffle“ (was für ein dämlicher und dazu unangemessener Songtitel!) schwach und Hayes wirkt insgesamt ideenlos und ausgebrannt.

Groove-A-Thon (1976)
Von den discoiden Alben eines der besseren, dennoch nicht mehr so zwingend wie früher. Der zehnminütige Titelsong ist fetter Disco-Funk mit leckerer Gitarre und satten Bläsern, der Gesang klingt aber irgendwie flacher als früher. „Rock Me Easy Baby“ ist eine deepe Slow-Funk-Nummer und solider Durchschnitt, von den Balladen (die ich bei Hayes ansonsten fast immer schwach finde) kann „Wish You Were Here“ überzeugen, aber die anderen drei Songs sind doch arg lau geraten. Und obwohl der Meister wie gewohnt mit üppigem Budget selbst produziert hat, klingt das Album etwas saftlos und verwaschen.

Juicy Fruit (Disco Freak) (1976)
Das dritte Album in einem Jahr und auch hier kann nur der superlässige Titelsong überzeugen: ein treibender Disco-Stomper mit grandioser Gitarre und Bläsern wie einst im Mai. Allerdings kommt das Ding erst nach einem länglichen Intro in die Gänge. Der Rest sind erneut klischeehafte Balladen und halbgare Midtempo-Tunes – die Masche war jetzt doch ziemlich ausgereizt. Und außerdem war auch stimmlich die Luft raus, ein leichter Hang zum Knödeln lässt den mächtigen Bariton von früher vermissen. Fans brauchen das Album allerdings wegen des grandiosen Covers (Vinyl als Gatefold), hier hat (ironischer?) Machismo mal wirklich Stil.

New Horizon (1977)
Ab hier weist meine Sammlung Lücken auf, die angesichts der überschaubaren Qualität der späten Alben aber wohl nicht so dramatisch sind. Ein paar Alben hatte ich auch schon mal, sind dann aber einer Sammlungsverschlankung verdienterweise zum Opfer gefallen. Hier finden wir übrigens den legendären Tom Moulton at the Controls, der aus „Stranger Than Paradise“ immerhin eine üppig produzierte Disco-Hymne mit WahWah und Marimbas, vor allem aber ziemlich enthemmten Streichern gezaubert hat. Oha, schon lange nicht mehr gehört – gefällt mir heute richtig gut, trotz eines gewissen Barry Manilow/Las Vegas-Show-Touches. Besser ist allerdings der andere Zehnminüter auf Seite 1 “Moonlight Lovin’ (Menage A Trois)“, etwas schwüler und leichtgewichtiger Midtempo-Funk. Seite 2 kann man aber leider komplett vergessen, sorry. Dafür gefällt mir das Foto auf dem Backcover: Hayes räkelt sich auf einem Lederkissen und trägt dabei nicht nur einen rosafarbenen Strickpulli, sondern auch eine dieser damals superhippen Digital-Armbanduhren. Selbst das kann er sich leisten.

Hotbed (1978)
Nach längerer Pause diesmal wieder auf Stax, dazu im Klappcover und mit famosem Einstieg, nämlich Bill Withers’ „Use Me“. Das macht er richtig gut, klingt wie früher, saftig und kraftvoll. Zum komponieren hatte er damals wohl keine Lust mehr, vier der fünf Songs stammen aus fremder Feder. Der Disco-Fluch scheint aber beendet, dies hier ist wieder altmodischer Soul- und Funk, auch die Balladen klingen wieder deep und erdig, mit Bläsern und diesmal dezenten Streichern garniert. Manches hat fast schon einen Hauch von richtigem Southern Soul abgekriegt – was für ein Wandel zum Vorgänger, da hat wohl einer die Notbremse gezogen.. Auch cool: fast 14 Minuten hypnotisches „Feel Like Makin’ Love“ von Elias McDaniel aka Bo Diddley (er schon wieder!). Fazit ein überraschend gelungenes Comeback zu den Roots.

Branded (1995)
Ich behaupte jetzt einfach mal, was Hayes zwischen 78 und Mitte der 90er veröffentlicht hat, braucht kein Mensch - lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Das 94er Stax-Comeback Wonderful kenne ich leider nicht, mit Branded gelang ihm ein Jahr später auf Virgin aber dann doch wieder ein sehr gutes Album. Trotz – nein sogar wegen des Sting-Covers „Fragile“ (bei dem ich nun für alle Zeit an OBS-Host Rembert denken muss), das hier mit ausführlichem Intro und Outro zu einer fast viertelstündigen Mini-Symphonie (sogar mit halbwegs erträglichem Kinderchor!) aufgeblasen wird. Im Vergleich zu früher hören wir hier zwar mehr Keyboards, aber auch die Gitarren haben nach wie vor ihren Platz. Überflüssig finde ich das Lovin’ Spoonful-Cover „Summer In The City“, rundweg genial dagegen das Remake seines eigenen „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“(von Hot Buttered Soul) mit smoothem Gast-Rap von Chuck D (Public Enemy). Auch seine „Soulsville“-Neuaufnahme (Original auf „Shaft“) geht voll okay. Keine Frage: Isaac Hayes war zurück!

Raw & Refined (1995)
Kein richtiges neues Album, sondern eine Sammlung cooler und bislang unveröffentlichter Instrumentals. Und zwar nicht nur aus den Branded-Sessions, sondern auch deutlich älteren Datums, zum Teil sogar Demos aus Stax-Zeiten. Titel wie „Birth Of Shaft“, „Funkalicious“ oder „Funky Junky“ sprechen Bände. Und ohne Vocals klingen die Tunes von Hayes eben oft genug wie Soundtracks zu noch nicht gedrehten (Blaxploitation-) Streifen. Ein nostalgisches Vergnügen also, dieses seinerzeit wohl doch ziemlich untergegangene Album, das damals sogar zum Sonderpreis zu haben war, da es als Bonus zu Branded vermarktet wurde, mit dem es aber eigentlich nichts zu tun hat - sieht man mal von der Covergestaltung ab.

Bonus:
At Wattstax (2003)
Hat wahrscheinlich auch kaum jemand mitgekriegt, dass Hayes’ Auftritt beim legendären Wattstax-Festival vor einigen Jahren eine späte CD-Veröffentlichung erfahren hat (hierzulande via ZYX). Wattstax fand 1972 in Los Angeles statt und war als eine Art ‚schwarzes‘ Woodstock konzipiert. Hayes ließ der es sich nach seinem extrem erfolgreichen Shaft-Soundtrack nicht nehmen, an seinem 30. Geburtstag vor 112.000 afroamerikanischen Zuschauern in seinem legendären Kettenhemd (siehe Cover) zu performen. Nachdem vor ihm fast alle Größen aus dem Stax-Katalog aufgetreten waren, hatte Hayes leichtes Spiel: schon der Einstieg mit dem Hammer-WahWah-Riff von Shaft ist natürlich kaum zu überbieten, auch weil Gitarrist Charles Pitts hier ungleich dreckiger als auf der Studioversion spielt. Das Repertoire von At Wattstax überschneidet sich zwar größtenteils mit dem 73er Album Live At The Sahara Tahoe, ist aber als Groß-Event atmosphärisch ganz anders gelagert.
Natürlich war die Stimmung am Ort der ‚Race Riots‘ in den Sechzigern auch politisch aufgeheizt, und Hayes bricht mitten im Konzert ab, um das Mikrophon an Jesse Jackson weiterzugeben, der zum stadionweiten Gebet aufruft, das dann doch eine harsche politische Anklage wird, die wiederum mit „we thank god for Stax and Isaac Hayes“ endet. Das 17-Minuten-Medley „Ain’t No Sunshine“/“Lonely Avenue“ war seinerzeit bereits auf dem kurz nach dem Konzert erschienen „Wattstax“-Sampler zu finden, alle anderen Aufnahmen sind tatsächlich bislang nie veröffentlicht worden.

Jetzt sind wir durch, vielleicht habt ihr ja Lust bekommen, da draußen auf den Flohmärkten nach alten Scheiben von Isaac Hayes zu greifen - zur Not tun es auch neue CDs beim Mailorder eures Vertrauens – dieser hier ist zum Beispiel auffallend gut sortiert. (Whirlyjoe)

PS.: Das sbs-Headquarter arbeitet zur Zeit an einer Isaac CD à la Whirly's Picks.

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