Dienstag, 1. Dezember 2009

Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin! Ein Reisebericht Letztes Wochenende weilten DJ Axel, seine Freundin Heike und ich im schönen Berlin. Vor allem wegen Fat Freddys Drop und deren einzigen Konzert in Deutschland am Freitagabend. Der Astra Kulturclub war ausverkauft und bis 100 Euro wurden die Tickets wohl vorher bei ebay gehandelt. Dementsprechend rammelvoll (die Band sprach von 2.000 Leuten) war der Laden dann auch, der irgendwie aussah, als hätte man ihn Original aus den 70ern in die Jetztzeit gebeamt. Also nicht auf alt getrimmt, sondern im Timewarp so aufgefunden. Gegen 9 Uhr legte die 7-köpfige Truppe dann los, wie gewohnt fette Riddims aus der Konserve von DJ Fitchie, ein Gitarrist, Keyboarder, dazu drei coole Bläser und Sänger Dallas Tamaira. Aber, das schicke ich mal gleich vorweg, so richtig weggeblasen hat es mich nicht. Das Konzert vor ein paar Jahren anlässlich der Popkomm fand ich wesentlich überzeugender. Alles etwas zu langatmig, die Songs zu sehr ausgewalzt und zu wenig magische Vocals. Das Gebläse wiederholte sich auch irgendwann und im Prinzip war es wahrscheinlich einfach zu voll für einen alten, durstigen Herren mit Blasenschwäche. Aber ich glaube, ich war nicht allein mit meiner Meinung. Nachher konnten wir noch Eva Be an den CD-Decks erleben und anschließend zwei Soul/Funk-Turntablisten, gar nicht mal schlecht, aber nach diversen Latinausflügen haben wir dann doch die Düse gen Hotelbett angetreten. Den nächsten Tag begann ich mit moderatem Recordhunting im Downtown Record Store. Die gut gefüllte R&B-Kiste war mir allerdings etwas preisintensiv, sodaß lediglich zwei 45er den Weg in meine Tasche fanden: The Isley Brothers – I Turned You On/I Know Who You Been Socking It To Cold Grits – It’s Your Thing / The Gaturs – Cold Bear Mit 7 Euro das Stück auch nicht eben preiswert, aber Peanuts gegen die sonst im Durchschnitt geforderten 25 Euronen. Irgendwie habe ich danach aber die Orientierung verloren und den einen oder anderen Laden auf meiner Liste einfach nicht gefunden. Einige schicke Bücher bei zweitausendundeins ließ ich aus Gewichtsgründen liegen und schließlich endete ich im Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstrasse. Die Soulauswahl war wirklich erstaunlich gut, aber man hat ja schon (fast) alles. Um irgendwas zu kaufen, packte ich schließlich eine 10-CD Box mit dem schnöden Titel Rhythm & Blues ein und legte dafür € 12,99 auf den Tisch des Hauses. Das kann natürlich nichts taugen (dachte ich), satte 200 Songs für das Geld, aber ein eingehendes Studium der zehn Pappsleeves macht richtig Appetit auf das Ding, denn neben Charles Sheffield (It’s Your Voodoo Working), The Night Riders (Looking For My Baby) und Frankie Lee Simms (She Likes To Boogie Real Low) habe ich bereits eine Handvoll exzellenter Tunes ausmachen können. Charles Sheffield's Voodoo war auch einer der letzten Songs, die wir am Abend zu hören bekamen (der letzte war Greatest Lover In The World von Bo Diddley), aber mal der Reihe nach. Nach einer Enchilada mit Feta-Käse (!) beim Mexikaner machten wir einen kleinen Abstecher in den Roadrunner’s Motor Club (sehr feiner Laden), um schließlich im Bassy’s zu landen. Dort sollte Frank Popp auflegen und zwei Sixties Garage Bands auftreten. Also gab es erstmal Nuggets vom Plattenteller, dann die Flare-Ups (okaye Schwedern) und schließlich die Woogles (in die Jahre gekommene Amis). Alles sehr nett und recht spassig, vor allem aber der wirklich phänomenale Club sorgte für einen netten Abend. Irgendwann lockte Axel mich in die Smoker’s Lounge, einen kleinen Nebenraum mit Bar und DJ-Set-Up für die Raucher, in dem eine Transe in einem schicken vintage Kostüm aber so was von geilen 50s Rhythm & Blues auflegte, das wir noch eine wirklich geniale Stunde hatten, bevor uns die Müdigkeit und die zum schneiden dicke Luft den Garaus machten. Beim rausgehen warf ich noch einen Blick in den Main-Room, in dem Mr. Popp gerade besagten Charles Sheffield und Mr. Diddley droppte, also im Prinzip der gleiche Sound. Das Bassy’s ist definitiv einen Besuch wert und irgendwann will ich die Fabulous Penetrators dort spielen sehen. (R-man)

5 Kommentare:

Maddin A. hat gesagt…

Also, ich bin ja niemand von den früher-war-alles-besser-Kollegen, aber der alte Bassy Club (bis ca. 2004) war wirklich der großartigste Club, in dem ich jemals war. Damals noch illegal lag er links von der jetzigen Location im Hinterhaus. Etwas kleiner als heute traf man dort wirklich alle möglichen Leute vom Polohemd bis zum Cowboyhut, die alle gemeinsam die Nächte zu RnB, Northern Soul, Country, Rockabilly und ähnlichem (nichts nach 1960) durchtanzten. Es gab einen kleinen Innenhof mit einem riesigen Wandgemälde von Saddam Hussein (der Laden würde wohl vorher von einem Irakischen Kulturverein genutzt) und einem Ölfaß, in dem im Winter immer Holz brannte. Im Sommer wurde auch gerne mal gegrillt. Auf der kleinen Bühne gabs so manche bizarren Konzerte und die Leute waren tatsächlich alle sehr nett. Irgendwann mussten sie dann der Nachbarn wegen an den Monbijoupark umziehen und da war dann die Luft schon raus. In der aktuellen Location war ich 2x kurz, aber da war alles voll von 20-Jährigen Schwaben. Vielleicht hat es sich ja mittlerweile wieder gebessert. Aber seit es den alte Bassy nicht mehr gibt, gehe ich kaum noch tanzen.

r-man hat gesagt…

Liest sich schön, aber auch traurig. Ich kann das alte bassy nicht mit dem neuen vergleichen, sondern nur mit den clubs, in die ich so gehe. und das ist nicht nur der stadtkrug in beverungen. und da ist das bassy's ganz weit vorne. allerdings war ich auch erst einmal vorher da und da war Gothic Night, da hat es mir auch nicht so gut gefallen.

an dem abend waren die üblichen gargisten und 60s fans, dazu einige 50s/billy Fans. ob die nun aus berlin oder schwaben kamen, keine ahnung. ich war ja selber tourist.

Anonym hat gesagt…

Die ersten fünf Jahre nach der
Wende in Ostberlin hatte man
eine Anarchie im Nachtleben,
die positiv genutzt wurde!

Heute zahlen alle Ihre Steuern,
müssen wirtschftlich denken
und die Treppenstufen sind beleuchtet

schön wenn man ein paar Nächte
anfang der Neunziger erleben
durfte ...

aber dafür, das die deutsche
Ordnung auch Ostberlin gefangen
hat - ist die Grenze zwischen
Prenzelberg und Mitte auf der
Schönhauser Allee immer noch
eine gute Adresse - zu den
genannten Clubs kommt ja noch
das White Trash fürs Auge und
sicherlich viel unbekanntes ...

richtig informiert bin ich
leider nicht mehr - da auch
die Bekannten in Berlin, viel
lieber auf dem Sofa hängen ...
(also meine "alten" Freunde,
Andread jetzt mal ausgenommen)

axel

Anonym hat gesagt…

Klar, früher war alles besser, aber man kann sich nachwievor im Bassy an den Bands orientieren, die da kommen und entsprechendes Publikum anziehen. Penetrators, Death Letters etc. würden da gut hin passen. Big John Bates dort war ja auch klasse. Das Roadrunners ist mir etwas zu konservativ in der Programmgestaltung, aber ist alles Geschmacksache.
Berlin-Mitte zieht halt auch jede Menge Lonely Planet Touristen. Da macht es um so mehr Spaß, die Oasen ausfindig zu machen und zu unterstützen, z.B. eine der letzte Bastionen, den Schokoladen in der Ackerstr./ Ecke Torstr.
www.schokoladen-mitte.de. Empfohlen sei der Donnerstag: Hugo Race, Chris Cacavas, Castanets, Whip, Dufus, Nina Nastasia, Grand Opening, Nina Persson, Paul Armfield etc. und die unendliche Szene des Weird Folk jenseits Devendra Banharts gibt's dort wöchentlich zu bewundern. Mittwochs Songwriter, freitags Ska, samstags Punk. Immer mit DJ Set, Künstler zum Anfassen, mit denen man auch ein Bier trinken kann.
Ihr wisst jetzt, wo ihr mich donnerstags findet.
An-Dréad

Anonym hat gesagt…

ach den Schokoladen gibt es
auch noch - da hatte ich dann
wieder Erfahrungen, anfang der
90er - war schwer zu finden ...
Schilder hatten die Läden nicht,
aber schön das es ihn noch gibt,
das nächste Mal - axel