Mittwoch, 20. Dezember 2006

Abt.: DJ At Work DJ-Handbuch, Teil 3. Musikwünsche … und wie damit umgehen?!? Ein heikles Kapitel. Gehen wir tatsächlich mal davon aus, dass man als DJ einen Plan hat, ein paar Stücke im Voraus denkt und mit seinem Set (egal wie lange er dauert) eine gewisse Richtung verfolgen will. Natürlich darf das nicht Track für Track geplant sein (womöglich nach nummerierter Liste) , es muß Raum zur Improvisation/Kurskorrektur da sein oder gar zum kompletten Richtungswechsel, wenn das, was man zu Hause angedacht hat, im Club/in der Bar nicht entsprechend funktioniert. Aber gleich auf jeden Musikwunsch eingehen? Vier Beispiele aus meiner kurzen DJ-Karriere: 1. Ich lege 70er Jahre Funk auf. Ziemlich straight. Kommt einer und fragt: „Hast du Randy Pie?“ „Wo soll ich die denn jetzt her holen? Ausserdem spiele ich hier Funk!“ „Das ist auch Funk!“ Ich meine Randy Pie! Meines Wissens nach eine obskure 70er Kapelle aus Hamburg um zwei ex-Rattles. Soll tatsächlich funky sein (weiß ich heute), aber wie soll ich so was dabei haben? 2. Soul, Funk und Reggae kommt auf den Teller. Um Mitternacht kommt ein Bursche: „Meine Freundin hat Geburtstag. Sie würde gerne BAP hören.“ „Habe ich nicht dabei!“ „Habe ich im Auto, kann ich holen…“ Brrrr. 3. Ein betrunkener Russland-Deutscher betritt unaufgefordert unsere Gartenparty und will „Rock“ und (tatsächlich!) „Shocking Blue“. Hatte ich nicht, wollte ich auch nicht. Daraufhin wollte er mich verprügeln und nur durch Extrem-Diplomatie meinerseits ist er an einer Tracht vorbeigeschrammt. Mit ihm hätte ich es aufgenommen (obwohl er größer war, ich war nur unheimlich sauer). Mit seinem Clan nicht. 4. Zu Zeiten des letzen Eurovison Song Contest brüllte mir eine Dame während eines astreinen Disco-Sets im Stadtkrug wiederholt „No No Never“ ins Ohr. Was will die denn, dachte ich? „Was?“ „No No Never.“ „Ich versteh’ nicht!“ „No No Never! Texas Lightning!“ Alles Situationen, in denen man, wenn man sich nicht geschickt aus der Situation herauswindet, als arrogantes Arschloch abgestempelt wird. Letztendlich sollte man den Tipp des How To DJ Right Buches beherzigen: Wenn Du das gewünschte Stück dabei hast, dann leg es auch innerhalb der nächsten 3 Tracks auf. Denn warum hast du es überhaupt eingepackt? (R-man) Zum guten Schluß der längsten Post in der shake baby shake Blog-Historie habe ich mir die Mühe gemacht, eine Leseprobe aus dem wundervoll-empfehlenswerten Buch Plus Minus Acht von Hans Nieswandt abzutippen. Sein Zweitwerk Disko Ramallah ist ebenso gut und auch Nicht-DJs zu empfehlen. Abgetippt, damit man als DJ besser auf seine Kundschaft eingestellt ist. Here it goes: Es gibt verschiedene Phänotypen des Musikwünschenden. Mindestens einer von ihnen meldet sich in jeder Nacht. Da wäre zunächst der Typus des banalen Ignoranten. Er ignoriert einfach den Fakt, dass jeder DJ ein gewisses Programm verfolgt und ein Rahmen existiert, und wünscht sich einfach, was ihm privat gefällt, sagen wir: Die Toten Hosen oder Jimi Hendrix. Ser oft fordert dieser Mensch es generalistisch „härter“, „schneller“ oder „Techno“. Oder er wünscht sich „weiß auch nicht, ganz andere Musik“ oder „normale Hits“. Er nimmt überhaupt nicht wahr, dass da eine vielleicht volle, geschäftige oder sogar hysterische Tanzfläche ist und alle ausser ihm mit der Musik sehr zufrieden sind. Diese Jungs und Mädchen sind zum Glück häufig recht nett und trollen sich oft schon nach einem freundlichen „Nö“. Unangenehmer sind die Kandidaten, die sich bereits mehrere Alternativen zurechtgelegt haben oder an Ort und Stelle anfangen, darüber nachzudenken. Für den Fall, dass man die erste Wahl nicht hat: „Kannst du mal `Lalala-lalalala-Laaa´ von Kylie Minogue spielen?“ „Meinst Du `Cant Get You Out Of My Head´?” “Jaja, genau.” “Hab ich doch schon gespielt.” „Ist doch egal.“ „Na hör mal, nichts ist egal.“ Stirnrunzeln, Grübeln. Der DJ klemmt sich schnell den Köpfhörer zwischen Schulter und Ohr. „Dann Armand Van Helden.“ „Ja welches denn?“ „You Don’t Know Me.“ „Das ist doch alt.“ „Na und?“ „Ich habe das seit zwei Jahren nicht mehr dabei.“ „Echt? Was bist du denn für ein DJ?“ Kritisches Kopfschütteln. Tiefes Grübeln. „Hast Du denn dann wenigstens `Lady´ von Modjo?“ Worum es in Wirklichkeit geht: mit irgendwas durchzukommen. Gestaltungsmöglichkeit. Einflussnahme. Manche Menschen haben keine gute Ausgehnacht, wenn sie nicht mindestens ein Lied pro Disco selbst bestimmt haben. Vielleicht ist das eine Form der Selbstvergewisserung. Dadurch fühlen sie sich ins Nachtleben integriert. Das halten diese Leute im Eintrittspreis mit inbegriffen. Eine konsequente Steigerung dieses Verhaltens bedeutet der Wunsch, „mal die Kiste durchzusehen“. Manche fragen auch gar nicht erst, sondern fangen schon mal damit an, während man ihnen den Rücken zudreht. Ertappt man sie dabei, werden sogleich schlüpfrige Vorschläge gemacht und zur Krönung das Angebot, selbst ein paar Scheiben aufzulegen: „Ich bin nämlich auch DJ.“ Aber `meine Kiste´ gehört eindeutig zu meinem Intimbereich. Sie `mal durchsehen´ zu dürfen ist eine äußerst unsittliche Bitte. Als Nächstes wäre da der klassische Besserwisser und Geschmackshuber. Er wünscht nur feinste Spezialitäten und will entweder wissen, ob du sie vorweisen kannst, oder sich im Gefühl aalen, dass das unmöglich ist: der illegale Bootleg von Madonna. Obskure 2-Step-White-Label aus Stoke-On-Trent, die man dort privat geschenkt bekommen hat. Oder den nie erschienenen Neil–Young-Remix, den Roger Sanchez neulich in New York als Dub Plate gespielt hat. Diese Kandidaten wünschen sich im Prinzip keine Musik, sondern Respekt. Man soll denken: Wow, was ist das denn für eine coole Person, die sich solche abgedrehten Platten wünscht? Respekt! Davon habe ja noch nicht mal ich was gehört! Es versteht sich, dass es sich dabei fast immer um Jungs handelt. Dann gibt es jene, die sich die Platte wünschen, die gerade läuft (hatte ich auch schon – R-man): „Spielst du mal `From: Disco To: Disco´?” “Aber das mache ich doch gerade.” „Oh. Echt? Stiiimmt. Naja.“ Moment, vielleicht ist das gar kein Wunsch. Vielleicht geht es um etwas ganz anderes. Wünsche können auch ein Vorwand sein, um mit dem DJ privat ins Gespräch zu kommen oder ihn anzubaggern. „Kann ich mir trotzdem noch was anderes wünschen?“ „Du kannst es ja probieren.“ „Na gut: Ich wünsche mir ein Kind von dir.“ Ob das ein charmanter Scherz oder gefährlicher Ernst ist, kann der DJ jetzt unmöglich beurteilen und blockt. Er muss plötzlich dringend Bässe killen. Als er sie irgendwann wieder zurückbringt, ist die irritierende Erscheinung verschwunden. Entsetzlich die enttäuschten Augen, wenn man mitteilen muss, Stevie Wonders `Happy Birthday´ leider nicht dabeizuhaben. Verständnislose Blicke, dass man dem Geburtstagskind auch nicht mit `My Way´ von Frank Sinatra oder `Somewhere Over The Rainbow´ von Marusha eine Freude machen kann. „Du hast ja gar nichts.“

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

in diesem zusammenhang eine lustige anekdote vom geburtstags-sbs: zu späterer stunde legte your favourite stargastnachwuchsdj grad sam&dave - hold on, i'm coming auf, als ein anonym bleiben sollendes weibliches mitglied unser aller lieblings k-gruppe lustig angeschickert vehement "was von den blues brothers" forderte.
auf meinen einwand, dass doch grad so irgedwie das original schon liefe, erntete ich unverständliche blicke und laute "nee, das RICHTIGE!" rufe...:)

in dem zusammenhang:
a) die plakate sind heut angekommen, merci! werden heut noch verteilt

b) jetzt schon mal schöne weihnachten& nen guten rutsch - auch vom rest des tns-teams!
wir sehn uns im januar!

bestens, chrispop

The Haarbüschel hat gesagt…

Mein Lieblingsrequest im Tabou Tiki Room selig war von einer Krampe, die sich nach einer guten Stunde mit Country nicht vor 1953 "Was von Guns&Roses" gewünscht hat. Nach erfolgter Aufklärung über Sinn und Zweck des Abends und meiner Tätigkeit konnte man seinen Synapsen einige Momente beim Kontaktsuchen zuschauen, bis er den Mund auch machte und sagte "Aber Garth Brooks haste doch, oda?"