Donnerstag, 4. September 2008

Motel California
Neil Young Everybody Knows This Is Nowhere Langsam, ganz langsam schiebt sich durch diesen Wall aus Lärm, aus klirrendem Feedback, unheilschwangerem Drumming und dräuendem Bassspiel, ein majestätisches Gitarrenmotiv, das einen sanft auffängt nach diesem Flug durch explodierende Galaxien, und es erklingt diese schlichte, aber geniale, in ihrer Lakonie an einen Clint-Eastwood-Western gemahnende Melodie. Und der Sänger, der eben noch wie ein elektrischer Schamane über die Bühne gestampft ist und seine Gitarre dem Gott des Verrückten Pferdes dargeboten hat, hebt an zu singen: "Hello cowgirl in the sand, is this place at your command? Can I stay here for a while? Can I see your sweet, sweet smile?" Und das Publikum rast. Neil Young. Im Jahr 2008. In der Zitadelle Spandau. Fast 40 Jahre ist es her, dass es dieses Lied erstmals auf Schallplatte zu hören gab. Wie viel dieses Album, das unfassbar grandiose, definitiv unsterbliche Everybody Knows This Is Nowhere, Ol' Neil heute noch bedeutet, lässt sich schon daran erkennen, dass der mittlerweile 62-Jährige zwei weitere Songs daraus - nämlich den knackig countryesken Titeltrack und das gleichfalls ganz und gar wundervolle Cinnamon Girl - in sein zweieinviertelstündiges Set packt.
Sein im Januar 1969 erschienenes Debütwerk war noch ein Sammelsurium der Stile, changierte zwischen dem Countryrock-Sound von Neils (und Stephen Stills') vormaliger Band Buffalo Springfield und hochartifiziellen Klanggemälden wie dem neunminütigen "The Last Trip To Tulsa". "The Loner" indes verwies schon auf das, was nur ein halbes Jahr folgen sollte: "Everybody Knows ...", für dessen Aufnahme Young die Band The Rockets - Ralph Molina, Billy Talbot und Danny Whitten - rekrutiert und in Crazy Horse umbenannt hatte, trifft einen auch heute noch mit seiner Unmittelbarkeit, seiner Schroffheit, seiner Zärtlichkeit, seiner Energie, seinen archaischen Romantizismen mitten ins Herz. Dabei sind es nicht nur die vier gemeinhin als Klassiker genannten Tunes - neben "Cinnamon Girl", "Everybody Knows This Is Nowhere" und "Cowgirl In The Sand" noch das zweite ausufernde Gitarren-Epos: "Down By The River -, die einem Schauer des Entzückens über den Rücken jagen. Erst das von einer kratzigen Fiedel gegen den Strich gebürstete Lamento "Running Dry", der beschwingte Countryrock von "The Losing End" und die im Dreivierteltakt kreiselnde Spieldosenmelodie von "Round & Round", Atempausen einer fürwahr atemberaubenden Platte, machen "Everybody Knows This Is Nowhere", zu dem, was es war, immer noch ist und auf ewig bleiben wird: der Soundtrack für die Suche nach dem Paradies, nach der Erfüllung - worin immer die auch liegen mag - und für die Erkenntnis, dass diese Suche vergeblich bleiben wird. Und wie man lernen kann, damit umzugehen: "I gotta get away from this day-to-day running around. Everybody knows this is nowhere." Musik, die Leben retten kann - und das seit fast 40 Jahren. Und: der - zusammen mit "After The Goldrush", "Harvest", "Rust Never Sleeps" und "Ragged Glory" - unverzichtbare Grundstock für jeden Neil-Young-Novizen. (Peter Felkel)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

zusammen mit on the beach seine beste. letzte woche habe ich den titelsong mal wieder aufgelegt, herrlich.

Anonym hat gesagt…

Jedes Wort ist wahr! und spricht mir aus dem Herzen.
f-stone

Anonym hat gesagt…

Hi Peter !

Everybody knows...war meine erste Neil Young-LP. Danach wechselten meine Lieblings-Platten von ihm fast mit jeder Veröffentlichung. Aber jetzt zähle ich Everybody knows... zu seiner Besten. Dieser majestätische Sound, melancholisch und stark zugleich, begleitet mich bis heute. Deine Beschreibung spricht mir aus der Seele.

Schöne Grüße
Heino