Dienstag, 16. September 2008

Motel California Grateful Dead Blues For Allah (1975) Das wage ich jetzt einfach mal, mich ans Thema Dead zu machen, obwohl ich mich dafür dann doch zu jung fühle (lustig) und es da draußen Deadheads gibt, die meine Sicht der Dinge hoffentlich nur milde belächeln. Es war aber so, dass ich dieses achte Studioalbum von Grateful Dead in den frühen 80ern kaufte, als ich ansonsten überwiegend Hardrock hörte. Es muss das Cover gewesen sein, das ich bis heute liebe. Von all den Skull-Covern der Dead klar das schönste. Aber die Musik fand ich damals enttäuschend. Endlos träge, viel zu sauber produziert und die Songs irgendwie unscharf und ohne klare Struktur. Das Gegenteil von Rock, irgendwie. Über viele Jahre ist mein Verhältnis zu Blues For Allah dann aber soweit gereift, dass ich heute von meinem liebsten Dead-Album sprechen will (ich kenne bei weitem nicht alle). Mittlerweile klingt die Musik für mich extrem souverän, wissend, ausgeruht. Definitiv in sich ruhend. Die Offenbarung gleich zu Beginn, das Dreier-Medley Help On The Way/Slipknot/Franklin’s Tower ist schlicht perfekt. Unglaublich präzise gespielt, bei allem Flow kein Ton zu viel, dazu funky dank Phil Leshs superpräzisem Bass (echt wahr) und Garcia auch stimmlich gut drauf. Musik die nie verschleißt. Wie sich die Gitarren von Weir und Garcia umspielen, ist einfach wunderbar, dazu setzt Keith Godchaux diese kleinen Offbeat-Akzente mit dem Fender Rhodes, die für diesen lässigen Reggae-Vibe sorgen. Musik, die sich von den Gesetzen der Schwerkraft befreit hat. Die Drogen? haben sich hier irgendwie in tiefere Strukturen eingegraben. Vordergründig ist die Musik extrem präzise und überhaupt nicht verdaddelt. Das klingt dann eben nicht nach Trip einwerfen und stundenlang drauf los spielen, sondern ist so etwas wie das nächste Level in Psychedelia. So wirkt das jedenfalls auf mich. Der Rest des Albums ist von wechselnder Qualität: perkussiver Fusion-Jazz (in gut), Crazy Fingers greift mit seinem sanften Reggae-Flow den Sound des Medleys noch mal auf, The Music Never Stopped ist mit Sax und Donnas eher seelenlosem Gesang eine satte Soul-Rock-Nummer, die hier allerdings etwas aus dem Rahmen fällt. Auch gibt es eine Flöten-Meditation mit klassischer Gitarre und Piano, was dann ein wenig von prätentöser Hausmusik hat (Sage & Spirit), schließlich das gedehnte Finale mit mir eher unverständlicher, bizarr-mystischer, soundtrack-artiger Ritualmusik. Weird. Gibt es als Remastered & Expanded-Edition im Digipak mit sechs Bonustracks, durchweg Studio-Outtakes (darunter 5 Instrumental-Jams): Groove #1, Groove #2, Distorto, A To E Flat Jam, Proto 18 Proper, Hollywood Cantata zB hier. Zum Lesen empfehle ich unbedingt: An American Odyssey. Die legendäre Reise von Jerry Garcia und den Grateful Dead. Von Rock Scully und David Dalton, Hannibal Verlag. Was für ein Trip. (Whirlyjoe) Bonus Video!

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr gute Wahl, Joe, Deinen Ausführungen zu "Blues For Allah" kann ich - ein Dead-Fan, aber kein Deadhead - nur beipflichten. Vor allem der Moment da sich nach "Slipknot" dieser lässige und doch präzise Groove von "Franklin's Tower" nach vorne schiebt - einfach großartig. So gut sollten sie im Studio nie wieder sein. Das Studioalbum, mit dem sie allerdings am nächsten an meinem Herzen sind, ist "American Beauty" mit reihenweise großartigen, kein bisschen überkandidelten Folk- bzw. Countryrock-Songs: "Friend Of The Devil", "Brokedown Palace", "Box Of Rain", "Truckin'" und natürlich "Ripple": "Let there be songs to fill the air." Hach.

Anonym hat gesagt…

Hallo Joe !

Für mich steht Blues For Allah für lebendige "Head-Music". Man kramt beim Hören unwillkürlich in Schubladen-Zuordnungen wie Prog oder Jazz-Rock, ohne den Kern zu treffen. Das riecht nach einer neuen Kategorie. In dem Zusammenhang spielen auch die Vorgängeralben From The Mars Hotel und Wake Of The Flood in einer eigenen Liga. So was gibt es heute gar nicht mehr...
Schöne Grüße
Heino

Anonym hat gesagt…

'American Beauty' und 'Workingman's Dead' sind sicherlich Pflichtbestandteil jeder vernünftigen Plattensammlung. Bei so Sachen wie 'Live/Dead' wird es für mich wegen der Endlos-Jams schon anstrengender, weshalb ich dir herzlich für diese Empfehlung danke, Whirlyjoe. Wenn die Dead mit vernünftigen Songstrukturen arbeiten, gibt es für mich jedenfalls wenig Entspannteres.

Anonym hat gesagt…

Habe eben mit Entsetzen festgestellt, dass gestern Pink-Floyd-Keyboarder Rick Wright gestorben ist. Sehr tragisch, ich hatte so sehr auf die Reunion gehofft ...

Anonym hat gesagt…

yo peter: habe heute mal wieder in american beauty reingehört, sehr schön laidback und sauber arrangiert. am besten gefiel mir spontan das sehr entspannte "attics of my life".

hey busch-man: bei aller liebe zu pink floyd - eine reunion hätte ich mir dann doch überflüssig vorgestellt. habe dafür letzte woche in der kneipe "breathe" von "dark side" aufgelegt - das war schön....

Anonym hat gesagt…

Natürlich wäre eine Reunion aus musikalischer Hinsicht komplett überflüssig gewesen, Joe - Floyd ist ja bloß bis 'Animals' wirklich relevant. Trotzdem hätte ich es allzu gerne gesehen, wenn die alten Zausel auf die alten Tage noch eine gewisse Weisheit an den Tag gelegt hätten. So hab' ich halt zu 'Us and them' alleine ein Tränchen geweint ...