Montag, 19. April 2010

Orange Blossom Special #14
The Stag-O-Lee Shakedown presents:
The OBS Afterparty meets Ein Blick zurück! Um Mitternacht ist Schluss mit Livemusik beim Orange Blossom Special. Das muss so sein, schließlich wollen wir den Anwohnern das Pfingstfest nicht komplett ruinieren. Und was heißt schon Anwohner, denn je nach Wetterlage hört man das Gerumpel der Bässe bis zum äußersten Rand unseres kleinen Weserdorfes und gar bis hinüber nach Lauenförde auf die andere Seite des Flusses. Vor Jahren war das dem einen oder anderen, ich gehöre ganz sicher dazu, so ziemlich egal und vor und nach Mitternacht wurde auf dem Festivalground aufgelegt. Irgendwo hatten wir Platten- und CD-Player aufgebaut und dann legten wir los. Ich erinnere mich an legendäre Rockhistory-Battles mit Blue Rose Edgar, der mich mit seiner gut präparierten Klassiker-Sammlung schwer in Bedrängnis brachte. Oder an die (fast) lupenreine Northern Soul (mit Rocksteady versetzt) Nächte mit Kamerad Schall und den Besuch einer Abordnung aus Russland, die uns Schläge androhte, wenn wir nicht „something dark“ auflegen würden. Habe ich natürlich nicht und dass es da nicht zur Eskalation gekommen ist, kann ich einzig meinem diplomatischen Geschick zuordnen.
Beim OBS 8 durften wir nur bis 22 Uhr Livemusik machen (erst später wurde von der Stadt 2 Stunden zugegeben), da habe ich als Captain Trip bis Mitternacht „From Sunset Strip to Fillmore West“ aufgelegt, Sixties Bay Area Zeug bis hinunter nach Los Angeles. Auch beim OBS 9 waren wir am Freitag ab 22 Uhr aktiv, ein Poster an meiner Wand dient als Erinnerungshilfe, inspiriert von einem Londoner DJ Wheeliebag Gig legten Whirlyjoe, Rockabilly-Professor Hank Ray (der auch solo auftrat) und ich als Junko Partners auf – Three Guys, Six Hands, Only Two Hours. Sweet Music, Games Of Dice & Free Candy. Richtig, zwischendurch gab es so eine Art Lotto mit einem großen Schaumgummiwürfel und dazu Süßigkeiten umsonst, um den Blutzuckervorrat der erschöpften Tänzer auszugleichen. Aufgelegt wurde zu dritt, immer reihum, während Joe und ich in der ersten Reihe hinter den Decks standen, saß Hank Ray mit hochgeschlagener Kapuze mürrisch hinter uns und reichte uns eine Rockabilly Perle nach der anderen. Heute würden wir uns nach der Sammlung wahrscheinlich die Finger lecken, damals war das stilistisch nicht unbedingt kompatibel und als ich dann im Alkoholwahn mit den begleitenden Worten „is doch `n geiler Song!“ Sweet Dreams von den Eurythmics dropte, sprengte ich die aufstrebenden Junko Partners gleich mit dem ersten Synthesizer-Riff. Besonders gerne erinnere ich mich an ein absolutes persönliches Highlight - den exzellenten Set von Boozoo Bajou’s Florian, der uns Aushilfs-DJs mal zeigte, wie so was geht. Welch ein Trip, selten war ich bei Musik so glücklich wie bei diesem Set, der dann doch unerwartet endete: Florian ging gerade auf eine Stange Wasser hinter unsere Bretterwand, als sich die Grünen unbemerkt näherten, den Tonarm mit einem „krrrrättttsccchhhhh“ über das Vinyl zogen und meinten, es würde jetzt reichen. Wie von magischer Hand bewegt, wanderte der Volumenregler in jenen Nächten gen 11 (one louder), in irgendeinem Jahr fiel um 3 Uhr morgens jemand auf, dass Soundmann Thorsten das Dorf zusätzlich mit der Bühnen-P.A. beschallte und da dieser jemand Ober OBStler Rembert war, der schon damals ein feines Netz durch Beverungens Belle Etage wob, war es irgendwann mal vorbei mit den Afterparties auf der Wiese hinter unserem Büro. Dann gab es glaube ich Jahre, in denen wir nach Mitternacht nicht mehr tanzen durften, da haben wir mehr geredet, mehr getrunken und oft auch mehr gefroren. Und vor ein paar Jahren begannen sich die Unentwegten dann nach Mitternacht im traditionsreichen Stadtkrug (Motto: „Gegen den Durst seit 1877“), unserem lokalen Hangout, zu treffen. Eigentlich eine recht normale deutsche Gaststätte mit zwei Räumen für gedrängte 200 Menschen, deren immenser Vorteil der musikbegeisterte und vitale Wirt Lollo ist, ein Kumpel seit Äonen. Am Anfang ging es, so weit ich mich erinnere, eher ums warm und trocken werden, die Hände um eine heisse Tasse Kaffee wickeln zu können und so wenig Zeit wie möglich im klammen Zelt verbringen zu müssen. Dann kam shake baby shake, unsere lokale, monatliche Tanzveranstaltung ins Spiel und es wurde ordentlich aufgebaut und der Laden gerockt. Man konnte es ab da durchaus Party nennen. Dann kam ich auf die Idee, die Sache interessanter zu gestalten und den einen oder anderen beim OBS auftretenden Künstler zu fragen, ob er nicht im Stadtkrug auflegen wolle. Michael J. Sheehy war damals noch neu im Glitterhouse-Stall, in London hat er mich kurz zuvor locker ausgetrickst, weil er keinen Bock auf seinen Labelboss hatte… (wie er nachher zugab, nachdem er mir im Suff seine ewige Liebe versprach) … na ja, der Bursche sagte recht schnell Ja und galt als Kenner in Sachen Pre-War Blues. "Den lassen wir mal gleich um Mitternacht ran, nach 45 Minuten lösen wir ihn ab, Vorkriegs-Blues geht ja eh nicht, danach machen wir Stimmung." So oder ähnlich habe ich damals gedacht. Damit lag ich dann aber doch ziemlich falsch, denn Michael und sein unglaublicher Bruder Patrick haben schließlich einen 3-stündigen Set hingelegt, der mit „epochal“ noch untertrieben ist. Zumindest hat er die musikalischen Horizonte des einen oder anderen Decksharks mächtig erweitert, meinen inklusive. Mit „…alles zwischen Surfsounds, gespielt von Marsianern, und Deltablues aus der Jungsteinzeit, Captain Beefheart und bluttriefendem Gospel“ (Peter F.) ist ihr Set nur unzureichend beschrieben. Die beiden tanzten, sangen inbrünstig mit und hatten offensichtlich the time of their lifes. Keine Ahnung warum, aber ihr krudes Gebräu groovte wie Hölle!
Die Jahre danach wurde es nicht unbedingt schlechter. Es hatte sich rumgesprochen, dass im Stadtkrug noch was geht. Michael und Patrick kehrten zurück, viele OBS-Musiker schauten mal rein und stürzen mehr oder weniger endgültig ab (Liam Penetrator meets Baskery 2009), es hat sich eine DJ-Crew gebildet, die wir in Gedenken an den grandiosen Set (und der direkt daraus resultierenden Spoonful-CD-Serie) The Spoonful Spinners tauften, manchmal stehen nachts um 3 Uhr hundert Leute vor dem Stadtkrug und trotzdem ist alles easy. Und als ich eines Montagmorgens um 7 Uhr als letzten Song „Music“ von Robert Miles auflegte, sangen die verbliebenen Gäste inbrünstig mit. Manchmal gibt es auch für den genialsten Scheißsong der Welt den passenden Ort und die passende Zeit. Die Tage und Nächte werden im Stadtkrug einfach in style beendet. Shake baby shake hat letztes Jahr das Zeitliche gesegnet. Im Stadtkrug residiert nun alle zwei Monate der Stag-O-Lee Shakedown, der im Jahr 2010 erstmals die Afterparty ausrichtet. Soundmässig schließt das quasi nahtlos an den Set von Michael & Patrick an, hat allerdings durch Compilierung von mittlerweile 33 Spoonful Mix-CDs ein paar Soundmonde dazu bekommen und somit einen ganz eigenen Kosmos geschaffen. „50s & 60s wild style“ nennen wir das Sternensystem aus Rhythm`n´Blues, Blues-Boppern, Früh-Soul, Ska/Rocksteady, Garage-Punk, Rock`n´Billy & other weird shit. Dabei geht es nicht darum zu zeigen, welch tolle Platten man hat, die sonst keiner kennt, sondern um wild Dancing, glückliche Ekstase ist hier kein Fremdwort, nicht mehr ganz so fremde Menschen liegen sich in den Armen und die mit sieben DJ’s fast komplett antretenden Stag-O-Lee Allstars (ex-Spoonful Spinners) werden dafür sorgen, dass der Schweiß von der Decke tropft. Freitag und Samstag wird stringent nach dem soeben beschriebenen Spoonful-Reinheitsgebot aufgelegt. Davor und danach öffnen sich die Grenzen. Am Donnerstag (2o. Mai) ist der Warm-Up mit der Koblenzer Band The Champions angesagt und am Sonntag wird nach dem Stadtkrug-Auftritt von Boy Divison sowieso ein Großaufgebot der Polizei den Saal räumen und wir können unsere Hit-Selection in den Plattenkoffern lassen. So oder so, es wird ein unvergessliches Wochenende. Dabei sein ist alles. (R-man)

5 Kommentare:

Whirlyjoe hat gesagt…

das sieht auch von hinter der dj-theke gut aus. wir freuen uns ja über alle tänzer, aber wenn dann mitten im gewühl die baskery-mädchen, ricarda parasol oder chris eckman hüpfen, hat das schon was spezielles. vielleicht waren die aber auch alle nur auf dem weg zum klo und wurden von der brodelnden, schwitzenden masse absorbiert.

Anonym hat gesagt…

Auweia, Holla mach bitte nicht zu viel Werbung für die Aftershow-Partys im Stadtkrug, sonst ist das schneller vorbei als wir wollen. Meine Nachbarn haben auch irgendwann mal den Kanal voll und ich verzichte gerne auf Polizei-Wambule! 200 Leute passen nun mal rein und nicht 1800 Festival-Besucher. Ansonsten freue ich mich auf's kommende OBS, Yes! stadtkrug-wirt Lothar

r-man hat gesagt…

ach lothar, es kommt wie es kommt. die schnittmenge von bloglesern und obs-tlern, die sich noch nicht für den stadtkrug entscheiden haben, ist minimalst. ich verspreche, wir legen nur scheisse 50er und 60er jahre sound auf, die leute werden schnell das weite suchen.

ich sehe ja nach wie vor das nach-Mitternacht-Konzert am sonntag von Boy Division als problem. ich fand den krach ja auf weitem feld schon fast unerträglich, wenn ich mir vorstelle, ich liege im bett und bin von den vorigen nächten genervt und dann scheppert es los...

naja, drücken wir die daumen. es kommt wie es kommt.

Anonym hat gesagt…

... so isses! Es kommt wie es kommt und es wird schön .... Lothar

Anonym hat gesagt…

hab`diesen blog erst vor kurzem entdeckt, bin begeistert, arbeite mich quer durch.kleine Anmerkung, weil im blog schon mal gelesen: "Music" ist von John Miles und nicht von Robert Miles. Nichts für ungut, vieleicht bald mal im Stadtkrug.
Gruß aus Düsseldorf
PeterMeyer