Sonntag, 8. Februar 2009

Rolling Stone revisited R-mans Empfehlungen vertraue ich ja blind, weshalb ich mir dann nach gefühlten zehn Jahren auch die neue Ausgabe geholt habe – JB-Cover, Elvis wäre mir lieber gewesen, aber immer noch besser als Lennon, der ja ein verdienter Held ist, aber eher nicht wegen seiner Sangeskunst. Nach der relativ ausführlichen Lektüre fühle ich mich jetzt zu einem Fazit berufen, vielleicht geht es ja dem einen oder anderen Alt- oder Neu-Leser ebenso - die Comments stehen jedenfalls offen. Die CD taugt zweifellos, zumindest für Northern Soul-Touristen wie mich, auch das Preisleistungsverhältnis des Heftes mit CD finde ich fair. Und R-mans Tipp „Lean Lanky Daddy“ von Little Ann trifft unbedingt ins Schwarze. Der Blick über den musikalischen Tellerrand hinaus ist wohl dosiert (Obama, Afghanistan, sehr ordentliche Kinoberichterstattung), das Motown-Special überzeugend, auch wenn zu dem Thema ja längst alles geschrieben ist. Es soll ja auch jüngere Generationen nachwachsender Soul-Girls und Boys geben. Oder Spätberufene (right on, HtH!). Die seniorenorientierten Stories sind wohl Geschmackssache, ich will jedenfalls von U2 und Springsteen weder hören noch lesen, der alte Morrissey (50 isser, wow) dagegen ist auch heute noch ein sperriger Charakter. Lesenswerte Details gibt es zum Team Patti Smith/Christoph Schlingensief, auch dass in Berlin unglaubliche 1700 Menschen zum Kitty, Daisy & Lewis-Konzert kamen, erfajre ich mit Freude, und die Fotostrecke mit langhaarigen Rock’n’Rollern der 70er mit ihren Eltern ist tatsächlich sehr unterhaltsam. Dass die Sache mit dem RS-typischen Listenwesen zum Teil lächerliche Ergebnisse hervorbringt (Van Morrison auf 24! – hinter Freddie Mercury, wo es hier doch gar nicht um Operettenstimmen gehen sollte….) ist dank willkürlich besetzter Abstimmungsgremien (u.a. James Hetfield von Metallica, kein Mann meines Vertrauens) nicht verwunderlich. Durchaus liebevoll sind aber zum Teil die Widmungen der Kollegen an die Gewinner ausgefallen (Iggy zu JB, Van Morrison zu Sam Cooke). Aber Al Green hinter Paul Mc Cartney? Michael Jackson vor Curtis Mayfield? Letzteren kennt Herr Hetfield aber wahrscheinlich gar nicht, also was soll’s. Bei den Album-Reviews (die ich eigentlich sehr gerne lese) herrscht leider ziemliche Tristesse: nicht eben meinungsstark beurteilte mutmaßlich mediokre Tonträger überwiegend von der Industrie, an einer lustigen Stelle versehentlich, aber viel sagend als Rezessionen (statt Rezensionen) bezeichnet. Dass in einer solchen „Rezession“ aus den Motown-Four Tops auch noch merkwürdige „Hot Tops“ gemacht werden, tut aber schon weh. Die Krise lauert halt überall… Trotzdem: man gibt sich erkennbar Mühe, alt (das Thema Reissues wird wie immer rundum überzeugend behandelt, hätte man nur die Kohle, all die schönen Boxsets zu bezahlen)) und neu (vier Seiten Franz Ferdinand) halbwegs austariert zu präsentieren, auch die Gestaltung finde ich insgesamt gelungen – bei Spex und teilweise auch Intro bin ich mittlerweile visuell überfordert. Daher lese ich regelmäßig und ausführlich eh nur noch den guten alten Glitterhouse-Katalog (holt ihn euch für umme unter http://www.glitterhouse.com/), bin aber nicht abgeneigt, gelegentlich eine neue Ausgabe des Rolling Stone in die Hand zu nehmen. (Whirlyjoe)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Moin Whirlyjoe !

Ich lese den deutschen Rolling Stone seit seiner ersten Ausgabe und habe nicht eine Nummer ausgelassen. Ich denke, er ist auch ziemlich konkurrenzlos in der Welt der Musik-Hochglanzbroschüren jenseits der Fanzines. Natürlich gefällt mir auch nicht alles, über was da geschrieben wird. Aber es ist wohl ein nötiger Spagat, auch über Mainstream-Leute wie U2 schreiben zu müssen, um die Käuferschichten zu erreichen, die solch ein aufwändiges Blatt am Leben erhalten. Dies ist in Zeiten der allgemeinen Informationsvielfalt durch das Internet und der herrschenden musikalischen Verblödungsstrategien durch die Rundfunk- und Fernsehmedien sicher gar nicht einfach.

Zum aktuellen Heft:
ich liebe Bestenlisten. Es gab im RS schon tolle Album und Song-Listen, mit denen ich mich weitgehend identifizieren konnte. Die neue beste Sänger-Liste bietet aber etliche fragwürdige Einträge (C. Aguilera; Axl Rose; Mariah Carey; F. Mercury; A. Lennox). Und vor allem kann eine Aufzählung ohne Tim Buckley, Nick Drake, Perer Hammill, Gene Clark und Gram Parsons nicht vollständig sein. Ansonsten wünsche ich mir, das die nächsten Hefte das Niveau dieser Ausgabe halten. Wie gesagt: aus meiner Sicht gibt es zur Zeit nichts besseres....

Schöne Grüße

Heino

Anonym hat gesagt…

howdy heino,

danke für dein urteil. mir fehlt aktuell der überblick über das musikzeitungsangebot, ich lese nur unregelmässig intro. scheint mir aber ein guter anlass, auch mal wieder einen musikexpress unter die lupe zu nehmen, das hatte ich dem lieben peter f. ja schon lange angekündigt, ahem.

das mit dem listenwesen geht m.e. schon okay, kann man ja immer auch im kurzdurchauf lesen oder ganz überspringen. aber wenn dann unter den top 100-vokalisten tatsächlich tim buckley fehlt, ist das schon höchst bedenklich.

ob man noch irgendwas über u2 schreiben muss, bezweifle ich. das rettet die auflage nie und nimmer.

ich hoffe aber, dass bei aller mäkelei doch rübergekommen ist, dass mir der rolling stone insgesamt doch überraschend gut gefallen hat. zu einem abo werde ich mich nicht durchringen, aber vielleicht flattert ja irgendwann mal ein kostenloses zu promozwecken ins haus, wer weiss? wo der sbs-blog bei den rolling stone-lesern doch so ungemein beliebt ist.