Mittwoch, 11. Februar 2009

Karl Bruckmaier: Soundcheck
Die 101 wichtigsten Platten der Popgeschichte In Sachen Rolling Stone haben wir uns zuletzt ja mal wieder Gedanken über das Listenwesen im Musikjournalismus gemacht, da fiel mir doch prompt wieder dieses schöne Buch des Münchner Radiomachers und SZ-Schreibers Karl Bruckmaier ein – für mich eine Lesegenuss von Anfang bis Ende. Seine 101 Alben sind herrlich subjektiv (aber begründet) ausgewählt und ohne Rangfolge – dazu eher willkürlich gegliedert, weshalb hier im Kontrast zu den properen Rolling Stone-Listen fast schon heitere Anarchie herrscht. Dazu nimmt Bruckmaier das Thema mit der nötigen ironischen Distanz in den Griff: hier geht es nicht um Gewissheiten sondern schlicht um gute Musik. Und zwar quer durch alle Stile und Epochen. Vielleicht gefällt mir das Projekt nur deshalb so gut, weil der Autor meinen eigenen Geschmack erstaunlich gut trifft – er kann aber auch sehr lässig und unterhaltsam schreiben, das Ganze mit hübschen Anekdoten verziert und von der Haltung durchaus an den guten Franz Dobler erinnernd. Die 24 „Abteilungen“ (faktisch Buchkapitel) führen dann zu so spannenden Kombinationen wie u.a. Bille Holiday und Ike Turner („Strange Fruit“), Jon Spencer und Tricky (den ich beispielsweise für maßlos überschätzt halte), Motörhead und Tortoise, Dr. John und Tim Buckley, T.Rex und Robert Wyatt, ½ Japanese und Soundgarden. Auch zum aktuellen Sound der Stunde von Spoonful bis Stag-O-Lee findet sich hier einiges: Atlantic Rhythm & Blues, John Lee Hooker, Captain Beefheart, Tav Falco & Panther Burns, Jon Spencer, Hank Williams, Johnny Cash, Tom Waits, Dr. John, Johnny Adams, Jonathan Richman. Und in ebenso reizvollem wie deutlichem Kontrast dazu: Kraftwerk, FSK, Joni Mitchell, Van Dyke Parks, DJ Shadow und Luke Slater. Und kein Elvis und keine Beatles weit und breit. Insgesamt sind die afroamerikanischen Artists unterrepräsentiert, ansonsten ist die Mischung aber spannend und ergiebig – vor allem aber sachkundig und mit Leidenschaft beschrieben. Punktabzug gibt es für das eher hässliche Cover, das auch noch Tricky mit seinem dicken Ego ziert. By the Way: die Top 100-Liste des Rolling Stone wird hier zum Vergleich auch mitgeliefert, dazu auch die beneidenswert überschaubare Plattensammlung seiner Freundin Daisy (von Snakefinger bis Hildegard Knef). Erschienen 1999 und zur Zeit leider nur gebraucht zu kaufen. (Whirlyjoe)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wunderbare Analyse, Joe !

Dem braucht man nichts hinzufügen. Jedes Wort ist wahr. Ich weiß nicht, wie oft ich das Buch schon gelesen habe. Macht jedesmal wieder Spaß, selbst bei den Sachen, die einen eigentlich nicht interessieren. Ist einfach alles locker und unterhaltsam formuliert. Ein Muss für jeden Musikfreund.

Schöne Grüße

Heino

Anonym hat gesagt…

eine kürzere fassung des buches gibt es auf bruckmaiers homepage www.le-musterkoffer.de zu lesen