Donnerstag, 28. Oktober 2010
Gainsbourg!
Ich komme gerade aus dem Kino: das französische Biopic über das Leben des großen Serge ist tatsächlich ziemlich gut gelungen. Der Comic-Künstler Joann Sfar geht bei seinem Regiedebüt eher unkonventionelle Wege, erzählt sprung- und anekdotenhaft und hat auch keine Angst vor surrealistischen Puppen-Sequenzen im Stil von Spike Jonze.
Ganz erstaunlich ist unbedingt der bislang nur als Theaterschauspieler bekannte Hautdarsteller Eric Elmosnino – ich hätte nie gedacht, dass irgendein Schauspieler das Unikat Gainbourg auch nur annähernd verkörpern kann, aber hier meint man wirklich, Serge zu sehen – und auch singen zu hören. Im Gespräch für die Rolle war ja tatsächlich auch Serges Tochter Charlotte, was wiederum an den Besetzungscoup mit Kate Blanchett als Bob Dylan im ja bekanntlich ebenfalls sehr gelungenen Dylan-Pic „I’m Not There“ erinnert hätte.
Des Meisters Gespielinnen schneiden unterschiedlich ab: Sara Forestier gibt die naive France Gall sehr überzeugend, auch Laetitia Casta gibt mit Löwenmähne eine durchaus glaubwürdige Brigitte Bardot, lediglich Lucy Gordon scheitert am Versuch, Jane Birkin zu sein. Dramatischerweise nahm sich die Britin kurz nach den Dreharbeiten das Leben. Ein wenig sentimental darf man auch angesichts der letzten Rolle von Claude Chabrol werden, der hier einen leidgeprüften Musikproduzenten auf ganz unnachahmliche Weise gibt.
Fazit: der Film mit dem allzu plumpen deutschen Untertitel „der Mann der die Frauen liebte“ ist eine eigenwillige Hommage an einen ganz Großen, weit weg von handelsüblichen Hollywood-Feelgood-Bios.
Trailer
Das Original
Der legenäre TV-Skandal
(Whirlyjoe)
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2 Kommentare:
Für die Ausgewogenheit dieses Blogs: die komplett andere Meinung dazu:
Eigentlich war es ja nicht anders zu erwarten: Biopics sind – vor allem wenn es sich um die Biographien von Popmusikern handelt – das dümmste Genre überhaupt. Ein ungeordnetes Leben wird auf eine konventionelle Geschichte zurechtgestutzt, in der stumpf die üblichen Wendepunkte der Karriere und des Liebeslebens abgehakt werden, und Schauspieler strampeln sich ganz ernsthaft dabei ab, den aus sämtlichen medialen Kanälen bekannten Personen möglichst ähnlich zu sein und schlimmstenfalls sogar deren Gesang zu imitieren. Außer dem erfreulichen Dylanfilm »I’m Not There« von Todd Haynes fällt mir kein Film ein, bei dem auch nur versucht wurde, die dem Genre immanenten Idiotien zu vermeiden.
Aber der Regisseur des jetzt in den Kinos anlaufenden »Gainsbourg« ist immerhin ein Mann, von dem man einiges erwarten durfte, handelt es sich doch um Joann Sfar. Sfar hat entschieden alberne und dabei sympathische Serien für Kinder gezeichnet und geschrieben (»Sardine«, »Desmodus«), mit Lewis Trondheim die maßlos ausufernde parodistische Fantasywelt des »Donjon« erfunden und sich für erwachsene Leser in einem unverwechselbaren Krakel- und Erzählstil an autobiographische, historische und mythologische Stoffe gewagt. Aber was macht er als Regisseur?
Nicht etwa einen komischen, verspielten, persönlichen Trickfilm über Serge Gainsbourg, nein, er macht genau den gleichen Murks wie alle anderen, einen langweiligen und völlig überflüssigen Realfilm. Zu Beginn hatte ich noch Hoffnung, zeigt die Anfangsszene doch Gainsbourg als Kind mit einem Mädchen am Strand. »Darf ich meine Hand in deine legen?« fragt er. »Nein, du bist zu häßlich«, entgegnet sie und geht. Und der kleine Serge steckt sich eine Zigarette an. Es folgt ein hübsch animierter Vorspann mit einer stets rauchenden Gainsbourgkarikatur am und im Meer – und das war‘s dann auch schon mit Komik und überraschenden Einfällen.
Der Rest ist eingedampfte und nach-gekasperte Biographie mit traurigen Gainsbourg-, Brigitte-Bardot- und Jane-Birkin-Imitationsversuchen, die jenen Zuschauern, denen an Gainsbourg liegt, nichts Neues zu erzählen weiß und sie musikalisch mit mittelmäßigen Coverversionen abspeist. Als Fremdkörper geistert eine lebensgroße bemannte Gainsbourgpuppe aus Pappmaché durch die Biopic-Ödnis und soll eine Art Abspaltung des Gainsbourgschen Ichs darstellen. Für komische Brechungen sorgt sie leider nicht, höchstens für Befremden, und erinnert unfreiwillig daran, wie viel besser das alles hätte werden können – wenn man sich etwa getraut hätte, die ganze Geschichte mit solchen Pappfiguren zu erzählen.
(Aus der neuen titanic, mutmaßlich von Oliver Maria Schmitt)
Quatsch, es gibt reichlich gute Sachen in dem Genre; Control, Ray ...
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