Donnerstag, 3. September 2009

Mein letztes Wochenende! Am Freitag bin ich in einen Vorort von Rotterdam gedüst, um mir John Cale anzuschauen, der vielleicht demnächst auf einem mir nahe stehenden Plattenlabel veröffentlicht. Der Altmeister ist trotz seiner knappen 67 Jahre noch erstaunlich agil und wach im Kopf. Die Duo-Show hat Spass gemacht und der kleine Plausch nachher war richtig witzig und angenehm. Ein echt charismatischer Bursche, der Herr Cale. Am nächsten Morgen ging es dann direkt nach London zum Notting Hill Carnival, den ich auch dieses Jahr nicht an mir vorüber gehen lassen konnte (dürfte mein 10. Jubiläum sein). Am Samstag gab es den üblichen Streifzug durch die Plattenläden, aber irgendwie war ich zu unentschlossen und zu ermattet, um richtig zuzuschlagen. Das eine oder andere Vinyl für den Soundcruiser stellte ich wieder weg und schließlich kaufte ich nur das Trojan Jamaican R&B Box Set – eine für London extrem schwache Ausbeute. Aber irgendwie war es mir egal. Sonntag und Montag ging es dann zum Carnival. Mittags das erste Red Stripe aufgerissen, später dann auf Bacardi Breezer und Strawberry Daiquiri umgestiegen. Alles in allem habe ich es aber gemächlich angehen lassen. Im Prinzip war alles wie immer, bei Norman Jay’s Good Times gab es anständigen Soul, allerdings hat der Maestro am Sonntag etwas geschwächelt. Dafür gab es einen magischen Moment am Montag recht früh in der Mittagssonne: What The World Needs Now (Abraham, Martin & John) in der Version von Tom Clay. Absolut verstörende 6 1/2 Minuten mit Kinderstimmen, MG-Feuer und O-Tönen zur Ermordung von Martin Luther King und den Kennedy Brüdern, eingebettet in feinsten Motown-Soul. Das ging an die Nieren.

Nebenan haben die Jungs von Ashanti Mörder-Dub durch ihre fetten Bassboxen gejagt, dazu den einen oder anderen Roots-Tune gedroppt, mit denen man sich die Eingeweide gut durch massieren lassen konnte. Bei Gladdy Wax gab es wie gewohnt Rocksteady und Reggae von der Tighten Up Crew, DJ Cello und irgendeinem Typen aus Hamburg. Am Montag legte DJ Emma mit zitternden Fingern Pressure Drop auf, sorgte für ihren eigenen Rewind, nur um den Tune im Anschluß noch ein zweieinhalbtes Mal zu droppen. Ich sach nur: Üben, üben, üben. Der Hammer war natürlich wie immer Gaz’s Rockin’ Blues. Auf guten 40 Metern haben sie wie gewohnt die Talbot Road voll gestellt, das Thema war dieses Jahr Cuba, Viva La Revolucion, Fidel und Che. Wie gewohnt sehr liebevoll gemacht, die Posse hat es schon drauf. Hauptakteur war 2009 Natty Bo, der mit seiner Ska Cubano Truppe auch live auftrat. Musikalisch drehte es sich wie gewohnt vor allem um Ska, Rock`n´Roll und R&B, aber auch diverse Cumbias oder Big Band Tunes kamen ganz gut. Das Finale am Sonntag haben sie etwas vergeigt, da werden große Chancen, einen ganzen Strassenzug zum kollektiven Ausrasten zu bringen, einfach nur schlecht genutzt. Und warum sie als letzten Tune einen echt durchschnittlichen Elektro-Dancehall Tune auflegten, ist mir ein Rätsel. Am Montag kriegten sie die letzte Stunde dann besser hin, coole Tunes, größere Hitdichte und in punkto MC-ing auch besser als noch am Tag zuvor. Allerdings spielten sie auch hier am Schluß einen nichts sagenden Dancehall Tune, den ersten an diesem Tag. Ansonsten war es überall proppenvoll – nicht nur bei Gaz Mayall und Konsorten. Eine Handvoll Fans und jede Menge Touristen, die morgen wieder Lady Gaga hören. Egal. Die anderen 30 Sound Systems lasse ich generell eher links liegen. Da wird dann entweder Soca, Dancehall oder Drum & Bass geboten, nicht das, was ich hören will. Einige der Systems sind auch so beschissen platziert, das man in Tränen ausbrechen könnte. Die liegen drei Meter von der Strasse entfernt, auf der sich der Umzug entlang schleicht. Neben prächtig kostümierten Fußtruppen bietet dieser auch alle 30-50 Meter einen Sattelschlepper, dessen Anhänger mit Boxen randvoll gepackt ist und von dem mit Trommelfell sprengender Lautstärke irgendein aktueller Dancehall-Hit rausgeballert wird. Da der Umzug auch gerne mal stehen bleibt, steht so ein LKW-Ungetüm dann drei Meter vor dem Soundsystem und macht es platt. Frust pur. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass die Stag-O-Lee Allstars an einem vernünftigen Platz so richtig abräumen würden. Sicher könnte man nicht so auffahren wie Gaz’s Rockin’ Blues, aber mit etwas Einsatz würde man auch optisch mehr hinbekommen als 80 % der anderen Systems. Und schaut man mal, was vor Gaz’s abgeht, dann bin ich mir sicher, dass der Notting Hill Carnival ein weiteres Sound System dieser Art gebrauchen könnte. Wir müssen nur in die B.A.S.S. (British Association of Sound Systems) eintreten, wahrscheinlich 5 Jahre warten, bis wir am Zug sind, dann weitere 5 Jahre an einem der schlechten Plätze dahin vegetieren, bis wir richtig abräumen können. Und an unserem Toasting müssen wir noch arbeiten… oder wir holen uns den Kerl von Gaz’ Rockin’ Blues, der immer in Reimen spricht! Das wäre doch etwas, worauf man hinarbeiten könnte… Packen wir es an. (R-man)

10 Kommentare:

Whirlyjoe hat gesagt…

vielleicht sollten wir einfach den soundcruiser guerillamässig in london einsetzen. da könnte man schon auf der fähre bisschen reggae auflegen.

k-nut hat gesagt…

Das wär's doch: Mobil immer am günstigsten Ort!

Das Problem bliebe die Stromversorgung.
...Solar-Panel?
...ein Einkaufswagen voller Autobatterien?
...piratiges Andocken an andere Soundsystems?

r-man hat gesagt…

abt.: wir machen uns unsere kommentare selber!

der soundcruiser wird bei dem generellen lärmpegel echte probleme haben. Der Strom kommt beim Carnival aus Generatoren. Die tuckern überall, egal ob hinter ner Jerk Chicken Bude, auf dem Sattelschlepper oder neben einem Soundsystem. Denke davon sind zirka 300 Stück im Einsatz.

Hat man sein sound system in einer seitenstrasse, wird man mit dem cruiser und ein paar go-go girls an der einmündung dafür sorgen müssen, das das Publikum mal einen blick wirft und ein ohr reinhält.

woher der strom dann kommt gehen wir dann ann, wenn wir die einladung vorliegen haben.

Whirlyjoe hat gesagt…

bei den frühen hiphop blockparties haben die ja den strom von strassenlaternen abgezapft. knut, kriegst du das hin? eine kleine werkzeugkiste liesse sich im cruiser noch unterbringen.

k-nut hat gesagt…

...das sollte machbar sein!

Anonym hat gesagt…

Ich glaube in Notting Hill haben sie noch Gaslaternen ...
f-stone

Anonym hat gesagt…

DER John Cale?
Respekt.
An-Dréad

Anonym hat gesagt…

k-nut ist ein wahrer Teufelskerl am Stromnetz, da war ich selber schon live dabei...
BadaBing!

sailorgirl hat gesagt…

Jetzt nochmal: In echt? DER John Cale?
fast schon ein bisschen ehrfürchtig: sailorgirl

r-man hat gesagt…

ja, der John Cale. hat sich die haare rötlich mit blonden flecken gefärbt. ist Ende 60 und gut dabei. lacht viel, sollte man auch nicht denken. war schon ne sache mit dem mal zu schwatzen... und es war noch nicht mal blöder small talk. -r-man