Montag, 9. November 2009

Abt. Leichen im Keller Heaven 17 Der verehrte K-Nut und ich zerbrachen uns kürzlich mal wieder den Kopf, was denn aus den finsteren 80er Jahren an relativ cooler Musik per Bergungskommando prinzipiell rettenswert sein könnte. Dabei kam uns auch Heaven 17 in den Sinn - berechtigterweise? Sprechen wir darüber. Lieber K-Nut, geht es dir als diplomiertem Eighties-Fachmann auch so, dass der Gedanke an das Trio aus Sheffield erst einmal positive Assoziationen hervorruft? So als die etwas intellektuellere und wagemutigere Variante im Vergleich zu eher stromlinienförmigen Synthiepop-Kollegen jener Zeit wie Human League oder Orchestral Manouvres In The Dark? Woran liegt das denn? So stromlinienförmig waren die beide zu Beginn gar nicht. Heaven 17 bestand ja zu zwei Dritteln aus Ex-Human League-Mitgliedern. Nach der Trennung haben aber zweifelsohne Heaven 17 den intelligenteren Eindruck gemacht, das stimmt. Selbstredend höre ich mich gerade durch das in meinem Plattenschrank verbliebene Heaven 17-Programm – mehr als die ersten beiden Alben und eine vorzügliche späte 12-Inch ist da aber nicht mehr. Zum Debüt „Penthouse & Pavement“ von 1981 fallen mir genau zwei Sachen ein: „(We Don’t Need This) Fascist Groove Thang“ ist ein bewundernswert sperriger Kracher mit notwendiger Message, kommerziell nicht leicht verwertbar und vom britischen Radio seinerzeit bizarrerweise boykottiert. Dazu der Titelsong, eine messerscharfe und höchst rasante Funk-Nummer mit diesen supercoolen Backgroundsängerinnen, die tatsächlich technoiden Appeal mit Soul und Funk fusioniert. Fiese Moog-Sounds treffen auf Funkdaumenbass und klöppelnde Percussion. Lege ich bis heute immer wieder gerne auf. Der Rest des Albums ist allerdings völlig belanglos, oder? Ich hab‘ das ganze Zeug schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Im Regal stehen bei mir noch das Debutalbum sowie vier 12“-Singles. Ich fand das Debut ja seinerzeit wirklich großartig, kann das aber heute nur mit Mühe durchhören. Die Musik ist schon ziemlich gealtert. Zeitlos kann man das wirklich nicht nennen. …immerhin kann ich heute noch nachvollziehen, warum mir das so gut gefiel. Den Gesang von Glenn Gregory fand und finde ich noch heute wundervoll! Der Titelsong ragt auch tatsächlich heraus, wogegen mir „Fascist Groove Thang“ noch nie sonderlich gut gefiel. (…und was verflixt ist überhaupt ein Fascist Groove Thang?) Die LP ist auch die einzige mir bekannte Platte mit unendlicher Spieldauer: die Auslaufrille der zweiten Seite läuft ja endlos mit der Textzeile „for a very long time“ weiter. Hübsche Idee! Das ist mir gar nicht aufgefallen - geht nur im Vinyl. Album Nummer zwei war dann das Opus Magnum, auch in kommerzieller Hinsicht. Denn anno 1983 hatte „The Luxury Gap“ gleich zwei fette Hitsingles zu bieten, die ich auch heute noch großartig finde. Da wäre einmal „Temptation“, das so einen tendenziell northernsouligen, motownigen ABC-Vibe entwickelt und bis heute auf jeder Ü30-Disco abräumt, zum anderen das majestätische „Let Me Go!“, für mich einer der unpeinlichsten und trotzdem typischsten 80er Jahre-Songs, wie ansonsten vielleicht nur noch „Being Boiled“ von Human League. Und mit „Crushed By The Wheels Of Industry“ findet sich hier gleich noch ein guter Song, der einiges an zukünftigen Club-Tunes vorwegnimmt. Wenn man also etwas von Heaven 17 braucht, dann dieses Album, oder? …Öh? Die LP hab‘ ich irgendwann mal verkauft und mir dafür 'ne schnöde Best Of-CD gekauft. Und ausgerechnet Deinen liebsten Song mag ich überhaupt nicht: „Temptation“. Alle Heaven 17-Nummern, bei denen sie dieses grausliche Schlagzeug-Geboller einsetzen finde ich furchtbar. OK, da sind Geigen dabei, aber sonderlich elegant kann ich das nicht finden und höre weder Northern Soul noch Motown noch ABC; so sorry! Und die quietschige Damenstimme mag ich auch nicht! (Ja, ich weiß: die hat schon bei Isaac Hayes gesungen! Trotzdem!) Yep, die Soul-Dame ist unerträglich, die hat Isaac wahrscheinlich aus dem Studio geworfen. Den Song hab‘ ich hier seltsamerweise auf 12“ im Dance-Remix rumstehen. Schenke ich Dir bei nächster Gelegenheit. Ich geb dir dafür ein Bier aus! „Let Me Go!“ allerdings finde auch ich noch heute ganz fantastisch und rate stilecht zur 12“Maxi-Version. Der Gesang beginnt erst nach über zwei Minuten und das Ganze wird trotz über insgesamt sechs Minuten kein bisschen langweilig! Spätere Alben habe ich mangels Substanz schon vor vielen Jahren alle aussortiert, nur die 1988er Maxi „The Ballad Of Go Go Brown“ habe ich behalten, denn das ist eine echte Perle mit Soul, Harmonica, Westerngitarre und laidback-funky Groove, die an die besten Zeiten von Wall Of Voodoo erinnert. Wenn ich die Platte auflege, werde ich tatsächlich ziemlich oft gefragt, was das denn ist - also Augen auf beim Flohmarktstöbern. Ich bin mir ganz sicher die auch mal besessen zu haben, aber das Ding lässt sich beim besten Willen nicht mehr finden. Schade! …und auf meiner Best Of-CD ist das auch nicht drauf. Und wie fandest du das kuriose Coverversionen + Gastsänger-Konzept „Music Of Quality And Distinction“ des Nebenprojekts B.E.F.? Ich habe da trotz potenziell lustiger Mitsänger wie Gary Glitter keine einzige gute Nummer gefunden. Tina Turner verhunzt „Ball Of Confusion“ sogar auf ganz grässliche Weise, von Paula Yate’s „These Boots Are Made For Walking“-Version wollen wir lieber schweigen. Irgendwie sind B.E.F./Heaven 17 ja auch am Tina-Revival mitschuldig. Für ihr folgendes Comeback haben sie danach ja (das nur mittelüble) Let’s Stay Together produziert. Ich habe da allerdings nur die zweite B.E.F.-Ausgabe im Regal. Auch mit interessanten Sängern (Mavis Staples, Green Gartside, Billy Preston, Billy MacKenzie, …) aber genau so irrelevant. Was bleibt also von Heaven 17? Wie bei Chic die Singles, hier auch bedenkenlos im kompakten 7-Inch-Format zu empfehlen und auf jedem besseren Flohmarkt für 50 Cent zu haben. Im Fall von „Let Me Go!“ bitte ich Dich mal die 12”-Version gelten zu lassen – ansonsten einverstanden! …und beim Durchhören meiner CD bin ich noch auf „Contenders“ gestossen – schön arrangiert und gar nicht übel! (Whirlyjoe & K-Nut)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallo!
danke erst mal für euren bericht über heaven 17.ganz eurer meinung bin ich nicht,aber ist ja klar geschmäcker sind verschieden.man kann sicher die 80er verteufeln und nur ein paar perlen rauspicken.aber was wäre die musik heute ohne die 80er.fm synhtese,8 bit sampler,drummaschinen,simmons drums,atari computer, die letzten analog synths(jupiter 8) und natürlich der unsägliche hall über alle produktionen.aber wenn man das alles so heute wieder hört war es doch noch irgendwie hand gemachte musik, ohne cubase oder logic und abelton live.es kommen irgendwie nostlgische momente auf,vorausgesetzt man war dabei.
ps: ich fand von heaven 17 noch And That's No Lie ausgesprochen gut.
gruss

k-nut hat gesagt…

"vorausgesetzt man war dabei"

Na klar, mittendrin!

...und ich wär' der letzte, der die 80er in Gänze verteufeln würde. Natürlich wurde in den 80ern 'ne Menge Schrott veröffentlicht, aber in welchem Jahrzehnt nicht???

bez. "...(and that's no lie)" gebe ich Dir recht. Das ist eine meiner H17-12"-Singles.

Anonym hat gesagt…

Ha, Heaven 17 war eine meiner Lieblingsbands zu der Zeit, ich stand auf das ganze Synthiegedöns. Am besten gefiel mir damals allerdings die erste Veröffentlichung - nur auf MC erhältlich - 'Music for Stowaways'. Hab ich immer noch irgendwo rumliegen, aber auch ewig nicht mehr gehört (war sicher ein Jahr mit 198 vorne beim letztenmal). Hat aber gar keinen Groove und wenig mit den anderen Veröffentlichungen zu tun.

Uwe