Dienstag, 16. November 2010
Rolling Stone Weekender
Ein Reisebericht
Das letzte Wochenende habe ich am Weissenhäuser Strand verbracht, einer Ferien-Oase an der Ostsee. Um eine Art Gallerie drappieren sich jede Menge Ferienhäuser und schon ganz schön hässliche Apartmentblocks, die man mieten kann, um hoch im Norden zu entspannen. Die Entspannung kam etwas kurz, denn wir sind zum Rolling Stone Weekender gefahren, um dort einen Stag-O-Lee/Glitterhouse Stand aufzubauen und uns zu präsentieren bzw. den hungrigen Musikfans unsere Ware feilzubieten.
Am Donnerstag war die Anlage noch menschenleer und im mediterranen Ambiente ganz schön spooky. Diese Gallerie/Passage ist so eine Art Amüsier-Epizentrum der Anlage, mit einem Bistro, einem Italiener (rechts unten im Bild oben), einer Bar, Kegelbahn, Eingang zur Wellness-Nummer (Sauna, Schwimmbad etc.) und diversen anderen Lokalitäten in der zweiten Etage des verglasten Tempels der Freude.
Dort sollten an zwei Tagen zirka 30 Bands spielen, die Headliner im draussen aufgebauten 3.000 Mann Zelt, die mittelgroßen Bands im Baltic Festsaal, der für 800 Leute ausgelegt sein soll, aber auf Grund der niedrigen Raumhöhe eben auch nur eine niedrige Bühne bietet, was für Rock & Roll also nicht wirklich taugt. Nicht viel besser war das Rondell als dritter Veranstaltungsort, einer 8-eckigen Hütte, die höchstens 200 Leuten Platz bot, die durch diverse Nadelöhre mussten, was auch nicht gerade Spass machte.
Gewohnt wurde in den vorhin angesprochenen Apartments auf der Anlage, frisch renoviert mit Küche und Balkon, sodaß der Zusatz „Komfortfestival“ auch wegen der relativ kurzen Wege tatsächlich nicht übertrieben war. An die nahe Ostsee habe ich es nicht geschafft, mein erster und einziger Versuch endete an der ersten Düne und einer vollen Breitseite aus Orkan und 80.000 Hagelkörnern.
Gesehen habe ich eigentlich nur die Black Keys (astrein) und fünf Minuten Tindersticks (im total überfüllten Baltic Saal), sonst habe ich hinter dem Stag-O-Lee Stand verweilt und für gute Laune gesorgt. Wir hatten uns am Ausgang positioniert, in einem kleinen Schlauch, durch den jeder gehen musste, wenn er zum Zelt wollte (und das wollten viele). Ich hatte unseren Soundcruiser dabei und haute den potentiellen Fans eine Spoonful CD nach der anderen um die Ohren, viel davon wurden dann auch direkt aus dem Player verkauft. Zu später Nacht hatte ich gar einen kleinen Dancefloor, den ich mit den Ska/Rocksteady-Nummern von Spoonful 38 befeuerte (die paar 38er CDs, die ich mit hatte, waren danach auch ausverkauft).
Samstag nacht kam die Meute dann wieder und verlangte nach Tanzbarem. Zu dem Zeitpunkt waren meine Bestände aber fast komplett zur Neige gegangen und DJ-technisch hatte ich sonst nichts mit, um irgendwelche Sets abzuliefern. Ein paar Juke Box Jam Singles hatte ich noch in der Auslage, von denen vor allem Dave Bartholomew mit Shrimp & Gumbo (kurz danach auch ausverkauft) und Vernon Dilworth/Lucky Millinder – Shorty/Who Said Shorty Wasn’t Coming für überschäumende Stimmung sorgte. Dazu mischte ich ein paar Tracks von der Spoonful Elvis CD (die einzige, die mir noch blieb, die dann aber auch über den Ladentisch ging) und ganze fünf Neuerwerbungen, die ich bei Franko (einem anderen Dealer) blind gekauft hatte: Wonderful World/Chain Gang von Sam Cooke im Levis 501 Cover, das elendig kitschige Tijuana Taxi von Herb Alpert (schiere Begeisterung!), Let’s Twist Again von Chubby Checker (und natürlich die B-Seite The Twist gleich hinterher – Ekstase!) und als mir gegen Ende des Sets die Tunes ausgingen und ich die frisch erworbene Kinks-7“ Sitting On My Sofa (das hatte ich eher lahm in Erinnerung) droppen wollte, zog ich ein leicht zerkratztes Stück Vinyl mit dem Titel Raunchy aus der Kinks-Hülle. Ohne zögern warf ich den Tune auf den Teller des 1210ers und die zuckenden Leiber des immer größer werdenden Spontan-Dancefloors waren Wachs in meiner Hand. Ein Killer! Stilecht (ich hatte auch alles gespielt und den einen oder anderen Lütje Minze – 50 %-igen Likör aus der Gegend - intus) beendete ich den Set mit Ich Bin Ein Kleiner Hund – der B-Seite von Wum’s Hit Ich Wünsch’ Mir Eine Kleine Mietzekatze. Standing Ovations und Zurufe wie „Du bist unser König!“ ließen mich an meine Jugend denken, da wollte ich schon mal eine Sekte gründen. Die am Samstag Abend hatte ich jedenfalls so weit...
Klasse Wochenende, indeed! (R-man)
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3 Kommentare:
Sehr cool; insbesondere die Sache mit den Ferienhäusern finde ich extrem interessant. Die Festival-Camping/Dixie-Toiletten-Variante ist für mich jedenfalls nicht mehr tragfähig. Mit dem Alter steigen die Ansprüche ...
R-man findet sogar Erwähnung im Hamburger Abendblatt:
"Der witterungsunabhängige Dorfplatz mit seinem angetäuschten mediterranen Flair, seinen falschen Marmorstatuen
und Plastikfensterläden, wird durchzogen von Elvis-, Soul- und Indie-Songs der Plattenstände. Am Sonnabend tanzen
einige Besucher spontan im Neonlicht."
mhm, eine sekte! die neu aposoulischen? wie sieht die taufe aus?
badabing!
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