Mittwoch, 19. Dezember 2012

Svens Liste Top Ten 2012
 ...wie erfrischend: die ersten Plätze sind in diesem Jahr ziemlich abseits der bekannt-beliebten Rhythmus- und Riff-Pfade. Die Platzierungen sind willkürlich, dienen eigentlich nur der Nummerierung und mäandrier(t)en durchs Jahr und wahrscheinlich noch weiter fröhlich herum und überhaupt: es ist nur ein kleiner und schonungslos subjektiver Ausschnitt, der große Mengen weiterer wunderbarer Musik dieses Jahres vergisst oder ausblendet:


1. Monika Roscher BigBand - Failure In Wonderland (Enja Records)
Erst spät im Jahr zur Tür reingekommen (23.11.2012) und der Überraschungsgast des Jahres: BigBand-StudentenAbsolventen aus München mit einer fränkisch-stämmigen Leitung, der unglaublich talentierten Monika Roscher. Jan Freitag nennt es in seinem Zeit-Blog-Beitrag "FrickelJazzRockChaOrdisch" - die perfekte Ergänzung zu Platz 2, aber mit wesentlich mehr Tanzbein. Tolles Debüt, wegen des zu erwartenden Potenzials trotz heißen Atems der Wettbewerber im Nacken klarer Platz 1.

1.1. Godspeed You! Black Emperor: ‚Allelujah! Don’t Bend! Ascend! (Constellation Records) Eine adäquate Vertonung des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends. Viel in die Wicken gegangen, wenig gelernt, oft auf die falschen Pappnasen gehört. Zudem Konzert des Jahres 2012 (Reithalle Dresden)

2. Motorpsycho - The Death-Defying Unicorn (Stickman Records)
Wer das als Rock-Oper bezeichnet, liegt so was von falsch. Toller Beweis für meinen Leitspruch: "Mein Rhythmusgefühl ist zu komplex, um es in Tanz ausdrücken zu können". Wenn man dem Album 84 Minuten lang ohne jegliche Voreingenommenheit begegnet, dann erwartet einen ein famos virtuos-vertracktes Stück Musik, das zu Recht auch auf der nächsten Zappanale in Bad Doberan gegeben wird. Ob aber auch die ollen Betonköppe da Gnade zu walten lassen wollen?

2.1 Swans - The Seer (Young God Records)
...ich gebe es zu: so ein kleines bisschen Bammel habe ich schon, auf den Play-Knopf zu drücken - immer wieder, wobei ich es dann aber jedes Mal doch tue. Und reich belohnt werde mit einem fast kathartischen Klangbad. Dem man sich nicht nebenbei aussetzen kannsolldarf, da man im besten Fall Zeit verschwendet, im schlechtesten Fall schräg draufkommt. Im Mai 2013 könnte eine Live-Prüfung anstehen - drumherum braucht man wahrscheinlich Urlaub.

3. Wovenhand - The Laughing Stalk (Glitterhouse Records)
Endlich. Die richtige Band am richtigen Platz. In Verbindung mit einem tollentollentollen Konzert im Kölner Stadtgarten (wobei: hat DEE noch immer nicht geantwortet auf unsere Frage, wer denn da eigentlich vom Band sang, bevor die Band loslegte?).

4. Bill Fay - Life Is People (Dead Oceans Records)
Auch wenn viele bei dieser Gelegenheit sagten: "endlich, nach so vielen Jahren wieder was von Bill Fay", ich kannte nichts, aber auch gar nichts, hatte noch nie von gehört. Danke für das Vertrauen, Dead Oceans, danke an alle Blogger, die dieses wunderbare altersweise Werk in die interessierte Öffentlichkeit brachten.

5. Bob Mould - Silver Age (Merge Records)
Das ist jetzt so ein Bro-Ding und/oder Treue-Ding. Obwohl manche schon mäkelten: "Jaja, endlich wieder hart genug - aber huh, das ist mir schon wieder zu viel Hymne, zu viel Riff". Ich finde, dieser Mann hat viel Inspiration in die Musikwelt geschickt, vielleicht auch mehr als manch anderer. Und wenn "SilverAge" der 2012er Standort eines solchen Musikers ist, dann bin ich da gerne dabei.

6. Kristi Stassinopoulou - Greekadelia (Riverboat Records)
Wieder etwas, zu dem ich kam wie das Kind zur Ohrfeige. Der ambitionierte Wortsender der Republik dradio hatte das in einem seiner Kulturbeiträge: Psychedelischer griechischer Techno-Folk-Rock, damit konnte früher kaum wer was anfangen - bis das griechische (Musiker-)Paar Kristi Stassinopoulou und Stathis Kalyviotis diese Musik einfach machten. Auf Greekadelia haben sie altes, traditionelles Liedgut und Themen aus der Heimat aufgenommen: aus Thrakien, Mazedonien, der Epirus-Bergregion, der Dodekanes-Inselgruppe oder dem Peloponnes und diese Grundlagen dann mit Harmonium und diversen Rahmentrommeln, mit Live-Loops und vorsichtig gesetzten Electronica-Sounds und Geräuschen in eine andere Klangwelt verschoben. Von Velvet Underground über Patti Smith bis wasweissichwas ist alles dabei. Toll.

7. Sam Lee - Ground Of Its Own (Nest Collective Records)
Englischer Folk hat ja sowas wie ein Revival zurzeit. Durch jemanden wie Sam Lee wird es glücklicherweise nicht vorhersehbar. Er hört alte Lieder von Reisenden, von Roma, schottischen und irischen Familien, die ihr Liedgut zwischen den Generationen von Mund zu Ohr weitergeben, er taucht ein in die Geschichten, die hinter den Liedern stecken. Und transportiert diese Geschichten in einer für unsere Ohren sehr frischen, weil sehr ursprünglichen, vielleicht ihrer ursprünglichsten Form. Die schönste Einschätzung hierzu hörte ich gerade vor kurzem von Tim Jonze: "...compared to Michael Kiwanuka, Sam Lee sounds like Skrillex". Treffer. Versenkt.

8. Spain - The Soul Of Spain (Glitterhouse Records)
Auch hier wieder: die richtige Band am richtigen Platz. Ich gestehe das ja kaum jemanden: aber Spain haben seit so langer Zeit einen solch festen Platz in meinem Herzen, das kann ich ziemlich genau immer hören. Am besten alleine. Und Josh Haden, der spricht mir sowas von aus der Seele. Melancholie ist keine Schwermut und Schwermut ist keine Traurigkeit. Der ironische Augenaufschlag des Lebens, der kommt manchmal ziemlich durchs Knie (das sieht man auch auf Josh Haden‘s großartiger Soloarbeit "Devoted") - und: wer von Johnny Cash gecovert wird...

 9. Dirty Three - Toward The Low Sun (Anchor & Hope Records)
Manchmal braucht es auch keine Wörter. Ich höre "Toward The Low Sun" öfter mal mit großem Vergnügen. Sogar eine sehr schöne Platte, wenn man über den Türwächter "Furnace Skies" hinausgekommen ist (und finde "That Was Was" ziemlich in Richtung Dinosaur Jr verortet, ich hätte Mr. Mascis da fast mit im Studio gesehen, schelmisch blinzelnd). Gespannt bin ich auf den Einfluss, den die Dirty Three Anteile der Bad Seeds auf das neue Album von Nick Cave & The Bad Seeds haben werden, wo doch Warren Ellis in dieser All Tomorrows Parties-Dokumentation schon anmerkte: " "I stopped listening to Nick Cave when I joined the Bad Seeds".

10. Mark Lanegan - Funeral Blues (4AD Records)
Wer die Werke der letzten beiden Dekaden mag (und dazugehöre ich mehr als), der kann auch dieses Album genießen: traditionelle Interessen werden mit dem Gravedigger´s Song bedient - und die Spange der Entwicklung spangt sich bis zur "Ode to Sad Disco", an dem altgedienten Hörern die Gelegenheit zur Abfahrt vom Lanegan´schen Highway gegeben wird. Ick bleib druff.

10.1. Alabama Shakes - Boys & Girls (ATO Records) Words needed? Indeed not.

Auf den nachfolgenden Plätzen landen unnummeriert und jeweils aus Gründen:
I Like Trains - The Shallows
Human Don´t Be Angry - Human Don´t Be Angry
Dirty Projectors - Swing Low Magellan
Alt-J - An Awesome Wave
Red Kross - Researching The Blues
Antony & The Johnsons - Cut The World
First Aid Kit - The Lion´s Roar
Nick Halstead - Palindrome Hunches
Sophie Hunger - The Danger Of Light
Dark Dark Dark – Who Needs Who 

(Sven S., Sauerland)

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