Dass ich mich mit größtmöglicher Leidenschaft gegen das wahnwitzige Stuttgart21-Projekt engagiere (wie übrigens so gut wie alle in Kultur und Nachtleben verankerte Stuttgarter), hat man wohl auch im SBS-Blog wahrgenommen.
Folgerichtig wurde ich gefragt, ob ich nicht bei der großen Wahlparty der Grünen ein paar Platten auflegen wollte. Zusammen mit meinem tapferen Kollegen Kaspar ging ich das dann auch mutig an. Schon nachmittags war das Gedrängel vor dem Kunstgebäude riesig, als DJ mit Plattentasche kam ich wenigstens an der gestrengen Security vorbei.
Drin war es dann voll, heiß und stickig, die Spannung vor den Hochrechnungen tatsächlich mit Händen zu greifen. Einige Promis und unglaublich viel Presse und Fernsehen waren da, die Dame von der Bildzeitung wollte dann auch gleich meinen Namen, Alter (!) und Titel der Hymne wissen, die wir zum Einmarsch des potenziellen Wahlsiegers Kretschmann auflegen wollten. Selbstredend hatten wir keinen Plan, außer dass es garantiert nicht „We Are The Champions“ sein würde. Kaspar entschied sich dann tollkühn für die lustige Titelmelodie der Muppets-Show. Die subversive Pointe gönnte man uns allerdings dann doch nicht, denn Kretschmann stand plötzlich wie aus dem Nichts auf dem Podium und ließ sich – völlig zurecht übrigens – herzlich feiern.
Nach dem grandiosen Wahlerfolg – drei der vier Direktmandate gingen auch an die Grünen! – war die Stimmung natürlich absolut euphorisch („hier wird Geschichte geschrieben!“) und wir spielten dann so ab neun ein paar erste Motown-Nummern, eher skeptisch, ob die Polit-Crowd in dem doch sehr großen Raum zum Tanzen zu bringen wäre. Aber schon nach kurzer Zeit machten sich die Grünen locker und fingen überall im Raum zu zappeln an. Später fielen dann noch mehr Hemmungen und man zog per Polonaise durch den Saal, was garantiert nichts mit unserem Sound zu tun hatte. Der bestand aus den cooleren Hits aller Epochen, die Leute ließen sich auch harte Stilsprünge gefallen und gegen zwei Uhr morgens tanzten auch frisch gewählte Landtagsabgeordnete mit beachtlichem Schwung zu eher albernen Klassikern wie „Egyptian Reggae“.
Mit steigendem Alkoholpegel (Freibier gab es aber nur zeitweise) wurden die Musikwünsche dann immer bizarrer, wobei ich den einen jungen Mann für seine Hoffnung auf revolutionäre Hymnen von Ton Steine Scherben über „Guantanamera“ bis zur „Internationalen“ doch ausdrücklich loben will. Gespielt haben wir dann glaube ich „Sunny“ von Boney M. Ob CDU und FDP auch DJs bei ihren Parties hatten? (Whirlyjoe)