Edwyn Collins live: Hero reloaded?
Am Dienstag Abend spielte Edwyn Collins in der ordentlich gefüllten Schorndorfer Manufaktur im Rahmen seiner bescheidenen 3-Gig-Deutschlandtour. Wenn man weiß, dass der verdiente Held britischer Pop-Geschichte zwei schwere Schlaganfälle erlitten hat und jetzt ein behutsames Comeback wagt, überlegt man im Vorfeld natürlich schon, ob man da wirklich dabei sein muss, denn wenn ein Konzert eher den Eindruck einer Therapiemaßnahme macht, ist der Unterhaltungswert doch meistens gering.
Meine Bedenken waren aber recht schnell vom Tisch (eigentlich schon mit dem lässigen Motown-Intro, zu dem Collins mit Gehstock auf die Bühne humpelte), andere Konzertbesucher taten sich dabei aber wohl schwerer. Collins leidet rechtsseitig noch an deutlichen Lähmungserscheinungen und auch sein Gesang findet nicht mehr zu alter Größe. Was dann aber nicht allzu schlimm ist, denn er scheint sich auf der Bühne keineswegs unwohl zu fühlen. Er hockt auf einem Amp und muss die Songtexte manchmal ablesen, hat dabei aber eindeutig Spaß, das Publikum zweifellos auch.
Dazu hat er sich mit einer ziemlich fulminanten Band verstärkt, die teilweise hart am Rande muckermäßigen Schweinerocks entlang steuert, die Balance aber halten kann. Der linke Gitarrist sah aus, wie wenn er mal bei The Cult gespielt hätte, der rechte muss mal bei den frühen Allman Brothers gewesen sein. Keyboarder Boz Boorer kennt man von den Polecats und Morrissey, an den Drums saß der leibhaftige Paul Cook von den Sex Pistols – und der war tatsächlich richtig gut, sah auch relativ frisch aus.
Collins bewegt sich auf der Tour in familiären Kreisen, seine Gattin ist auch seine Tourmanagerin und bei einem Song durfte auch sein Teenager-Sohn mitsingen. Insgesamt also eine nicht gerade lupenreine Rock’n’Roll-Situation, aber das spielte bald keine Rolle mehr, denn der Mann hat einfach tolle Songs auf dem Kasten. Die vom neuen Album „Losing Sleep“ gefallen mit ihrem teils ruppigen Northern Soul-Touch wirklich gut, dazu kamen natürlich auch einige alte Orange Juice-Klassiker in a funky style und selbstredend sein einziger echter Hit „A Girl Like You“.
Mir hat es sehr gut gefallen, dass der zentrale Akteur auf der Bühne ein nicht zu übersehendes Handicap hat, lässt sich nicht leugnen, das hat an der Zeitlosigkeit seiner Musik aber mal überhaupt nichts geändert.
Neulich live bei Harald Schmidt.
Dank an Christian für das Foto.
(Whirlyjoe)
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