Sonntag, 3. Juni 2012


"This is Ace!"
OBS16 revisited Teil 3

Der Sonntag:
K-Nut:
Ich verschlafe und versäume den surprise act The Frictions. Das tut mir leid.

Whirlyjoe:
Oh weh, ich auch. Soll wie Crazy Horse geklungen haben, argh! Nächstes Jahr muss ein Wecker mit ins Sarglager in Lauenförde, wo wir wieder höchst komfortabel bei Heike und Axel wohnen durften – tausend Dank noch mal euch beiden!

Pete F.:
Tja Jungs, in Sachen The Frictions habe ich Euch was voraus. Habe allerdings auch, um der Wahrheit die Ehre zu geben, am Vorabend den Stadtkrug geschwänzt.
Aber, oh boy, dieses Konzert war jedes Opfer wert. Chris Eckman und seine slowenischen Kumpels im klassischen Zwei-Gitarren-Bass-Schlagzeug-mehr-braucht-kein-Mensch-Modus reiten das Verrückte Pferd mit einer Begeisterung und Spielfreude, dass es nur so eine Art hat. Selten habe ich Chris so locker und so selig gesehen.
Highlights: der abgespeckte Walkabouts-Klassiker „The Stopping-Off Place“, die Zugabe „Revolution Blues“ (von Neil Youngs epochalem „On The Beach-Album“, einer meiner Top-5-Platten für die Ewigkeit) und eine Handvoll mir bis dato völlig unbekannter Klassesongs von The Frictions.
Long may you run, guys.

K-Nut:
Clickclickdecker finde ich nett und einige mich mit Joe auf „Mädchenmusik“.

Whirlyjoe:
Sag ich doch. Grundsympathisch bei derber Mittagshitze.

K-Nut:
Von Nive Nielsen hatte ich ja im Vorfeld behauptet, ihre Musik lebe auch von einem gewissen Niedlichkeitsfaktor. Da sollte ich recht behalten – das gilt auch live und ebenso für ihre komplette Band The Deer Children. (Besonders auffallend dabei die expressive Drummerin.)
Dennoch überrollt mich diese Niedlichkeits- und Charme-Offensive ohne ernsthaften Widerstand meinerseits. Hach! Sofort das Album gekauft!

Whirlyjoe:
Da sind wir uns völlig einig. Supernette Typen, niedlich und herzlich, die Schlagzeugerin tatsächlich was Besonderes. Mir fehlt es live und auf Platte ja noch an klaren Songstrukturen, so ein Konzert funktioniert aber auch ohne Mitsing-Hits. In der Tat eine vielversprechende Entdeckung, die den zu immer noch früher Stunde erfreulich gut gefüllten Garten ergriffen zuhören ließ.

Pete F.:
Für mich ist Nive Nielsen die Königin der Herzen dieses Festivals. Singt über Staubsauger und darüber, dass ihr Freund ohne Kaffee nicht in die Gänge kommt. Banal eigentlich, doch es klingt, als hätten Engel diese Songs geschrieben.
Im Ernst: Miss Nielsen könnte mir auch das Telefonbuch von Paderborn vorsingen - ich würde fasziniert lauschen.

K-Nut:
The Travelling Band hatte mir Joe sehr ans Herz gelegt. Mit ihm recht weit vorne eine halbe Stunde geschwelgt, weitere zehn Minuten ausgeharrt, dann nach hinten ein Bier holen und nicht zurückgekehrt. Das ist mir schon fast zu schön und darum nicht aufregend genug. Auf dem Weg zur Zinkrinne drei Klappstuhl-Besitzer beim konzentrierten Zeitung-Lesen beobachtet - das finde ich wiederum irgendwie doof.

Whirlyjoe:
Ich bin gegen Klappstühle. Die bärtigen Briten finde ich dennoch großartig, selten zwei so prächtig harmonierende Singstimmen gehört. Ihr Auftritt vor einigen Wochen in der schwäbischen Diaspora war noch ein wenig deftiger in Richtung Southern Rock gegangen, dennoch verschaffte mir die Travelling Band schon beim Einstieg den OBS-typischen Gänsehautmoment.
Einer der Sänger gab in seiner Begeisterung dann auch das Motto für diesen Festivalbericht aus: „This Is Ace!“


Pete F.:
Gänsehaut, that‘s it: Als der Sänger sich langsam vom Mikro wegbewegte und die komplette Band loslegte, habe ich, glaube ich, gejauchzt vor Glück. Tolle Harmonies und alles - aber ein paar mehr memorable Songs wären schon schön gewesen.

K-Nut:
Bei den Fog Joggers eine enorme Girlie-Dichte vor der Bühne festgestellt. Wo kommen die plötzlich alle her? Die unbeschuhten Bengels klingen mir inzwischen fast etwas zu erwachsen und abgehangen. Gute Songs und Bühnenpräsenz dennoch. Weitermachen!

Ich bezeichne The Flying Eyes backstage unflätig als „Kinder mit Bärten“. Auf der Bühne fliegen keine Augen sondern Haare, viele Haare! Das rockt wie in den Siebzigern, seitdem aber nicht viel dazugelernt. Aber ganz große Live-Qualitäten, zweifellos! Leider viel zu wenig Pedalsteel gespielt. (Der beste Song war der von der Hömma-Compi.) Dennoch sehr angetan!

Whirlyjoe:
Nach ausgiebigem Chillen an der lauschigen Weser (und dem Verpassen der Fog Joggers und Orph) waren The Flying Eyes dann aber ein echter Knaller. Psychedelischer Boogie’n‘Blues-Hardrock wie anno 73. Freut mich immer sehr, dass auch nachwachsende Generationen von Langhaarigen diesen unverwüstlichen Sound pflegen. Stilistisch zwischen der ersten Bad Company, Blue Cheer und „Stranglehold“ von Ted Nugent.

Pete F.:
Mein Tipp war ja Cobo Hall, Detroit, 1971: Das ging aber auch mächtig los. Songs wie Lava, Gitarrensoli wie ein Güterzug, den keiner stoppen kann, und Vocals in der Tradition großer Shouter (sagt man das heute noch so?). Machen wir‘s kurz: Solange es noch junge Menschen gibt, die so eine Musik spielen, kann diese Welt nicht ganz schlecht sein.

K-Nut:
Die Spain-LP (die CD habe ich schon) kaufe ich mir schon vor dem Auftritt, nötige Josh Haden ein kurzes Gespräch auf, lasse mir das Cover signieren – so benehmen sich nur Fanboys? Ok, ich gestehe.

Hätte mir vor einem Jahr jemand erzählt Spain machen ein neues Album und spielen auf dem OBS. Ich hätte es niemals geglaubt! Seit Anfang an bin ich ein echter Fan von Josh Haden, der sich als extrem netter und höflicher Mensch erweist.
Kündigt mir Andread vor dem großen Finale noch an: „Josh Haden spricht auf der Bühne kaum ein Wort.“ (Das war beim Berliner Gig – vor 61 Gästen; schämt Euch, Ihr Ferngebliebenen! – wohl so) gibt der Mann auf der OBS-Bühne die Festival-Rampensau. Wen und was er da so hochleben lässt: nette Geburtstags-Kinder (die WDR-Tonfrau), Boote, Papa Charlie, Rembert, Lutz, das Glitterhouse, etc.; das ergibt ein tolles Spannungsfeld zwischen befreiendem Gelächter und ergreifenden Tränenziehern.
Musikalisch ist das in meinem Universum kaum noch zu toppen und löst Michael J. Sheehy/The Miraculous Mule als bisheriges OBS-Highlight ab. (...sorry Michael) Das war für mich kein Konzert, das war so etwas wie eine Messe! Mein bisheriger OBS-Höhepunkt in immerhin 14 Jahren.
Ich bin tatsächlich zwischenzeitlich den Tränen nahe und lache anschließend mit den Umstehenden um die Wette. Nuff said!

Whirlyjoe:
Ich hab’s ja nun nicht so mit Gottesdiensten, habe mich aber auch schon sehr auf Spain gefreut, denn das neue Album auf Glitterhouse ist wirklich sensationell und die alten Sachen der Band eh über jeden Zweifel erhaben. Hadens Performance geriet dann für einen gottesfürchtigen Amerikaner doch ein wenig eigentümlich („…in the motherfuckin‘ house!!!“), in einem Interview während des Festivals bezog er sich ja lustigerweise auf Ozzy Osbourne, was tatsächlich ein wenig Licht in die Sache bringt. Die Musik war jedenfalls einfach nur ganz wunderbar. Gänsehaut pur, erhabene Schönheit und als letzte Zugabe „Spiritual“. Wow, besser geht’s nicht – auch wenn die Meinungen zu Spain anscheinend weit auseinander gehen.

Pete F.:
Dem ist ganz wenig hinzuzufügen. Auch für mich das - neben Midnight Choir (die Älteren werden sich vielleicht erinnern) - wohl schönste Konzert der 13 OBSe, die ich bisher besuchen durfte. Wie Knut stehen mir beim Spain-Auftritt Tränen des Glücks in den Augen. Es ist ergreifend. Wunderschön. Unvergesslich. Ein magischer Moment. Danke, Josh Haden. Danke, Euch allen für ein Festival, das ich immer in meinem Herzen tragen werde. Und dann fließen die Tränen doch, auch weil ich meinen Freund Reinhard noch selten so emotional erlebt habe wie bei seinen Abschiedsworten.

K-Nut:
Rembert und Reinhard sprechen die famosen letzten Worte des OBS16. Rembert dankt, Reinhard erzählt Interna, während Rembert um Jahre altert. Alle sind bewegt, alle lachen – wie bei Spain. Ich bin schon wieder (oder immer noch) gerührt. Was für ein Finale!
Bevor ich tatsächlich noch anfange in mein Bier zu weinen, ab in den Stadtkrug!

Ca. 80% der Gäste sind auf der Tanzfläche. Der Sänger der Flying Eyes tanzt sturzbetrunken, aber unfallfrei, auf seinem Barhocker stehend, und lässt sich anschließend von den Umstehenden den nackten Oberkörper signieren. Um kurz nach Sieben verabschiede ich mich, während die Glitterhäusler zum traditionell letzten Song „Smells Like Teen Spirit“ abheben.
R-man meint: „Ich würde sonst was geben, hätte ich jetzt John Miles’ Music dabei!“
Ich gehe und sehe, dass Jens seinen Plattenkoffer wieder ausgepackt hat.
Die Sonne scheint.
Ich bin glücklich.


Pete F.:
Glücklich ist das Stichwort: Ich halte zwar nur bis zwei Uhr morgens durch, aber als ich gehe, fühlt es sich an, als würde ich eine Familie verlassen. Für ein ganzes langes Jahr. Auf dem Weg zum Hotel schon wieder Tränen. Aber Tränen der Freude. Über die Musik. Und darüber, Euch alle kennen zu dürfen. Danke.


Whirlyjoe:
Danksagungen gehen wie immer an Alle: Macher und Gäste, Künstler, DJs und Dienstleister. Extrapunkte verleihe ich an die Sound-Crew (High Fidelity live!), das ebenso wunderbare wie hartschuftende Stadtkrug-Team, sowie den Bäcker am Eingang für den Käsekuchen. Den schönsten Sailorgirl-Pulli trug – Sailorgirl.

K-Nut:
Käsekuchen hatte ich keinen, ansonsten kann ich mich nur in allen Punkten anschliessen. Rembert, Yannick: alles richtig gemacht!
R-man: Danke!!! Die famosen Richters und die restliche Stadtkrug-Crew - Ihr seid großartig.
Give it up to OBS!

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr schöne Berichte, die Herrn! Danke.
BadaBing!

Anonym hat gesagt…

BadaBing, mein Lieber - so schade, dass Du diesmal nicht dabei sein konntest. Wir haben Dich vermisst. Hoffentlich klappt's nächstes Jahr bei Dir wieder mit einem OBS-Besuch. Wäre toll.

Pete F.

P.S. "Boardwalk Empire"!!!

f-stone hat gesagt…

Ich unterschreibe alles, was die Herren da zum OBS zusammengetragen haben, deckt sich völlig mit meiner Wahrnehmung, nur eins verstehe ich nicht: den Hype, der wegen Spain veranstaltet wird. Ich fand den Auftritt völlig überflüssig.
Das macht aber gar nichts. Es gab ja Rocco, Erland, Eckman, Miserable Rich, Nive, Scott, die Travelling Band und diese herzerfrischenden Black Sabbath-Epigonen, die das OBS16 zu einem ganz großartigen Event werden ließen. Der absolute Höhepunkt kam allerdings gleich am Anfang mit den Moon Invaders.
Vielen Dank Rembert und Reinhard und Crew!

K-Nut hat gesagt…

1. Auf Spain muss man sich einlassen (wollen) - da haben sie Parallelen zu z.B. Savoy Grand. Gelingt mir ja bei so mancher Band auch nicht immer.
Will oder kann man das nicht: auch gut. Macht einen solchen Auftritt aber nicht gleich "völlig überflüssig", oder?

2. Hast Du Dich nicht mal am Stag-Stand blicken lassen? Hätte gern mal ein Bier mit Dir getrunken.

busch-Man hat gesagt…

Ihr Lieben, da hier seit einiger Zeit nichts passiert, hier eine kleine Anregung: Wie wär's denn, wenn R-man und Whirlyjoe nach geraumer Zeit Mal wieder ein Online-Mixtape kompilieren würden?! Ich habe erst jüngst die beiden exquisiten Sunday-Tapes aus der frühen Blog-Zeit gehört - grandios, sag' ich !!!

groovemaster hat gesagt…

Seid ihr so überwältigt vom OBS, dass auf dem Blog hier nichts mehr geschieht, oder wollt ihr ihn einschlafen lassen, was ich sehr schade fände.

Anonym hat gesagt…

So, pause vorbei! weiter gehts?!
BadaBing!

Anonym hat gesagt…

Ja, hoffentlich. Die tägliche Enttäuschung ist kaum mehr ertragbar.

Caesar

busch-Man hat gesagt…

Weitermachen!