Sonntag, 22. März 2009

The TeXas Files Pt. 4
Es ist kurz nach Mitternacht und ich tauche meine letzten Tortilla Chips in mein Glas Chipotle Queso. Da habe ich mich vergriffen, denn das gelbe Zeug schmeckt immer erst wie geräuchert (was ich hasse) und erst beim 4. Chip kann man es ertragen. Aber was soll ich machen, der Tag war lang und der Bean Dip ist alle. Zudem befindet sich mehr Bruch als alles andere in meiner Tüte, die grossen Chips sind alle schon gegessen. Ab und zu stosse ich nochmal auf einen großen Chip und ein weiteres Mal versichere ich mich im Kleingedruckten meines Chipotle Queso Glases, daß kein totes Schwein drin ist. Also rein vegetarisch. Also doch beruhigend.
Sonst schreibe ich diesen Bericht immer nach einer fetten Mütze voll Schlaf, heute versuche ich das erlebte mal direkt in die Tasten dieses geliehenen Laptops zu hämmern. Gerade hätte ich fast einem einheimischen Jungspund einen Einlauf verpasst, habe aber schließlich weltmännisch darüber hinweg gesehen. Schon am Eingang des Mother Egan's fiel er mir wegen seiner Adolf-ness auf, der junge SXSW Volunteer. Im Prinzip war keine Sau bei Ian MacLagan, dem alten ex-Small Faces Organisten und als ich dann wieder raus wollte durch den rechten Eingang (der zudem völlig leer und weit offen war), um rechts zum Hotel abzubiegen, meinte die Krampe "this is not an exit". Nachdem ich einen schönen Aufriss machte und sich drei Sicherheitskräfte in Bewegung setzten (es war nichts los, also konnte man sich auf mich konzentrieren) bin ich eben 15 Meter nach links gegangen, um draussen wieder 15 Meter nach rechts zu gehen. Es sind die kleinen Dinge, die einem den Tag versauen. Ich habe ihm dann noch zugerufen, seine Mutter braucht jetzt nicht mehr zum putzen kommen, wir hätten eine neue, die würde auch nicht klauen. Ordnung muß sein.
Denn ich war müde, der Tag war lang und ich habe mehr Shiner getrunken, als die Tage davor zusammen. Zudem ist SXSW als würde man nach Jahren der Untätigkeit wieder mit dem Joggen anfangen. Oder besser: wie ein Hallen-Fußballturnier (Alte Herren). Es tut jedes Mal ein wenig mehr weh und man spürt Knochen und Muskeln, denen man lange nicht mehr Hallo gesagt hat.
Jetzt habe ich nur noch Briefmarkengrosse Tortilla Chips Stücke in meiner Tüte. Und jedes Mal wenn ich jetzt in mein Chipotle Queso Glas dippe, habe ich etwas gelbe Masse am Finger. Egal. Es ist mir jetzt echt egal. Es gibt wichtigeres im Leben als fremde Tastaturen zu versauen.
So zum Beispiel um 1 Uhr nachmittags bei der Bloodshot Party Andre Williams (der ältere Herr oben rechts) zu sehen. Der hatte eine gut gestylte Bande mittelalter, schwer bekloppter Alkoholiker um sich, die offensichtlich schon ein paar Shots weg hatten (die Herren hier links), denn was die mittags im Garten der Yard Dog Galery abzogen, sollte nur noch schwer zu toppen sein. Greasy Rock`n´Soul vom Allerfeinsten.
So hat der Tag musikalisch angefangen. Danach wurden mal wieder Bohnen gefrühstückt. Zurück im Hotel wollte der Knappe hth am Colorado River ein gutes Buch lesen und der Don machte sich auf zu King Khan. Hatte ich gestern schon gesehen, man mag sich erinnern, aber der Gig im Emo's um 16.30 Uhr war um Längen besser als der letzte Nacht. Besserer Sound, bessere Band, längerer Set und vor allem: der bessere Club. Denn das Emo's ist Austin' Punkschuppen Nummer 1. Und wer sowas noch nie gesehen hat, der wird es nicht fassen, wie sowas hier aussieht. Ungeordnetes Chaos, aber so genial. Da müßte man mal das deutsche Aufsichtsamt durchjagen. Jedenfalls hat King Khan und seine Bande den prall gefüllten Laden zum Überkochen gebracht. Gute Band, gute Musik, gute Show. Ach was sage ich: genial in allen Belangen.
Um 18 Uhr hatte sich der Don und der Knappe im Gingerman verabredet. Es mag langweilig klingen, aber wir wollten Eli Paperboy Reed noch einmal sehen. Und wie bei King Khan war das ebenso eine weise Entscheidung. Denn die 2 Stunden im Garten des Pubs waren schlichtweg ein Erlebnis. Zuerst wohnten wir dem Auftritt einer alternden Sixties-Punk Combo bei. Einer davon könnte möglicherweise Cyril Jordan von den Flamin Groovies gewesen sein, verabschiedete man sich doch mit zwei FG-Covern. Die Band versuchte noch Bobbie Gillespie von Primal Scream auf die Bühne zu holen, der wollte aber nicht.
Danach waren wieder wie neulich unsere spanischen Freude die Right Ons dran, die offensichtlich mit Eli Reed im Gespann auftreten. Und wieder haben die 5 Madrilenen die absolute Achterbahn aufgebaut und der Vorgängerband gezeigt, wie hoch die 60s Punk-Harke hängt. Sexy, groovy, wild und ungestüm, dabei unglaublich tight, together und soulful. Wirklich das schärfste, was ich seit langem gesehen habe. Das Bild oben kann nur ansatzweise das wiedergeben, was diese Burschen drauf haben.
Trotz ziemlicher Verspätung nahm sich Eli Paperboy Reed und seine True Loves viel Zeit und legte in der untergehenden Abendsonne einen monumentalen Set hin. Alte und neue Songs bunt gemischt, was diese Band macht, geht ganz tief unter die Haut. Das hat Sharon Jones & Dap-Kings Qualitäten und ist vielleicht sogar besser.
Damit war der grandiose Nachmittag vorbei und der Abend begann. Und zwar damit, daß wir das Momo's nicht gefunden haben. Schön blöd, wo wir doch jeden Tag dran vorbei laufen. Dann daddelten wir bei allen möglichen Bands rum, aber nichts gefiel uns. Schließlich standen wir vor der Hill Country Revue, die aus mehreren Teilen North Mississippi Allstars besteht, darunter ein wahrhaft monumentaler Bassist. "The best blues band. Period!" - sagte die schicke Ansagerin und was dann folgte, war eine absolute Breitseite. So viel Saitengerödel habe ich von zwei Gitarristen noch nie gehört.
Dabei begann Luther Dickinson noch mit dem Waschbrett (mit WahWah!), aber dann feuerte der NMAS und aktuelle Black Crowes Gitarrist Tonsalven auf uns ab. Ich stand knapp einen Meter von seinen Spinnenfingern entfernt, aber dem hat noch keiner gesagt, daß die besten Töne die sind, die man weglässt. Wusste er offensichtlich nicht, denn er hat mehr gespielt, als amtlich in eine Sekunde reinpassen. Und definitiv nicht wirklich auszuhalten. Leicht genervt verließen wir den Ort, um zu Black Joe Lewis zu gehen. Den wollte ich gerne nochmal bei einer offiziellen Show sehen, schließlich hat er am Tag zuvor bewiesen, wieviel man mit zehn-Ton-Soli sagen kann. Aber nachdem uns die SXSW Volunteers ein wenig drangsalierten, war schnell klar, daß wir ins Parish nicht mehr reinkommen würden. Ich werde für nächstes Jahr versuchen durchzusetzen, daß die alle Rangabzeichen bekommen. Damit man als Gast schneller merkt, wer nun Stabsunteroffizier ist oder weniger.
Demotiviert schlürften wir noch einen Plastikbecher Shiner im Opal Divine's Freehouse. Der Knappe hatte vom Lärm die Nase voll (eigentlich müßte es Ohren voll heißen) und ich ging noch ins Mother Egan's, um 3 Tracks von Ian MacLagan's Bump Band zu lauschen. Nach der eingangs erwähnten Schikane bin ich dann schmollend in mein Hotelzimmer. Fast hätte ich nochmal meine Sachen gepackt und wäre zu Big Sam's Funy Nation gegangen, aber irgendwann tun einem einfach nur die Füsse weh. Das Bett hat auch schon leise "komm doch" gesäuselt und das Fleisch ist schwach usw. usf.
Aber schließlich habe ich heute mit Andre Williams, King Khan und Eli Reed drei der besten Shows seit Ewigkeiten gesehen. Ich war glücklich. Und was will man mehr? (R-man)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

stimmungsvoller schöner Bericht Mr. Marlowe! Nach Mittrnacht ist Deine beste Zeit...
BadaBing!

Tommy Soprano hat gesagt…

Danke für all die stimmungsvollen Berichte. Man wünscht sich, dabei gewesen zu sein - und gleichzeitig auch nicht *g*