Und noch ein Compilation-Doppelschlag: vor gut fünf Jahren legte das Münchner Compost-Label diese beiden Editionen vor.
Das musste natürlich gemacht werden: die Lieblingstracks wichtiger DJs – nicht die liebsten oder erfolgreichsten Dance-Tracks, sondern was man ganz privat schätzt. Zweifellos eine gute Idee, von den richtigen Leuten (eben Compost) sehr liebevoll umgesetzt, die CD kommt in einem edlen Cut-Out-Cover mit zusätzlichen Einlegekarten zu jedem Akteur, schließlich ist das Ganze als Serie geplant. Vierfach-Vinyl gibt es ebenfalls zu kaufen.
Volume 1 bietet je vier persönliche Lieblingstracks von vier ziemlich unterschiedlichen DJs. Neben Label-Chef Michael Reinboth und Peter Kruder finden wir auch DJ Hell und Theo Thönnessen von der Münchner Into Somethin’-Crew. Ist also eigentlich eine gänzlich unkomplizierte Sache.
Beginnen wir chronologisch mit DJ Hell, mit dessen musikalischem Universum ich ja oft genug auf Kriegsfuß stehe, der hier aber seine Freiheiten am entschlossensten in Angriff nimmt. Zwar beantwortet er den Fragebogen auf den Sammelkarten erwartungsgemäß routiniert und langweilig, seine Selection ist aber doch sehr erfrischend: „Part Time Punks“ von Television Personalities, da hat er bei mir natürlich schon gewonnen. Auch der sperrige Track von The Pop Group fällt aus dem Rahmen, des Weiteren entscheidet sich Hell für Silicon Soul und eine 25 Jahre alte coole Obskurität von Max Berlin.
Peter Kruders Leidenschaften sind bekannt, entsprechend locker begegnet er auch dem Fragebogen, und auch seine ausführlichen Kommentare zu seinen vier Tracks sind aufschlussreich. Masta Ace und der Wiener Local Hero Graf Hadik entsprechen auch ungefähr dem Erwarteten, überraschenderweise auch die Schweizer Band Grauzone mit einer hypnotischen Instrumentalnummer, die großen Einfluss auf den jungen Peter Kruder hatte. Etwas arg beschaulich dagegen Brian Eno und Daniel Lanois beim kitschigen Chillout – muss wohl was Persönliches sein.
Michael Reinboth hat zuhause immerhin die Auswahl aus über 70 000 gesammelten Tonträgern und entscheidet sich hier für Kontrastreiches von David Sylvian & Ryuichi Sakamoto, einen etwas beliebigen Latin Shuffle von Hector Rivera und sehr coolen Electro-HipHop von C.O.D. (der Song stammt von Gil Scott-Heron), ganz alte Schule. Außerdem hat er mit „Come Out Of The Sandbox“ von Mary Love-Comer auch die für mich schönste Nummer des Albums im Programm: vordergründig unspektakulärer Eighties-Disco-Funk, Kenner werden Reinboths Begeisterung für den Song aber garantiert teilen können.
Bleibt noch Theo Thönnnissen, der mit dem atmosphärischen „Indi“ vom Brasilianer Egberto Gismonti gleich ein echtes Highlight zu bieten hat. Ansonsten tendiert er mehr oder weniger zum Jazz (Arthur Russell, Nathan Davis, Arthur Hope/Blaze), sagen wir mal von NeoPhusion bis traditionell.
Vielleicht hatte ich zunächst etwas spektakulärere Erkenntnisse aus diesem viel versprechenden Konzept erwartet, jetzt finde ich die eine oder andere Nummer sogar ziemlich farblos, das Konzept als solches aber umso gelungener.
Fast zwei Jahre nach der ersten Ausgabe folgte dann endlich Volume 2
– in derselben edlen Aufmachung und mit dem gleichen unschlagbaren Konzept.
Die Runde wird von Trevor Jackson aka Playgroup eröffnet, Remixer und Label-Betreiber (Output), er bietet psychedelischen Dub von Colourbox, Rare-House und einen 10-Minuten-Mix der vergessenen ZTT/Trevor Horn-Band Propaganda (remember „Dr. Mabuse“).
Noch Extravaganteres bietet der große Richard Dorfmeister: er kombiniert eine impressionistische Piano-Nummer von Friedrich Gulda mit einer Can-B-Seite und 80er-Afro-Disco von Allez Allez.
Dub-Meister Pole (= Stefan Betke) hat ebenfalls ein breites Spektrum zu bieten: Alternative HipHop (The Goats), Freistil-E-Pop (Headset) und Glitterhouse-Artist David Thomas!
Schließlich noch die upcoming DJ-Crew Trickski aus Berlin mit minimalistischem Detroit-Sound, mutiertem P-Funk und elektronisch-tanzbar. Also auch diesmal wider eine ganz liebevolle Veröffentlichung, allein diese eingelegten Karten für die einzelnen DJs mit Foto, Kurz-Interview und Track-Kommentaren sind wieder sehr gelungen - und musikalisch so dermaßen openminded…
Beide Volumes problemlos erhältlich, natürlich auch hier…..
(Whirlyjoe)
4 Kommentare:
Ein schöner hinweis auf platten, die man ansonsten eher nicht mal mit der soliden glitterhouse-grillzange anfassen würde. jedenfalls ich nicht, sind doch peter kruder oder dieser reinboth für einige der schlimmsten fusion-quarksossen der letzten 10 jahre verantwortlich und dj hell ebenfalls ein kotzbrocken vor der herrin, balbla,
AAABER ist ja alles scheissegal!! denn ebendieser FRIEDRICH GULDA track, der da auf Vol 2 drauf war, der ist sowas von schön, sowas von erhaben, sowas von toll, dass sich erstmals sogar eine compost platte bei mir bunkere.
jedenfalls solange ich nicht das unbezahlbare original habe....
haha, dj hell. der hat vor ganz vielen jahren tatsächlich mal bei mir zuhause angerufen, als ich noch ein ganz unerfahrener rezensent war und für ein gänzlich unbedeutendes online-mag schrob. mit meiner kritik war er irgendwie nicht zufrieden....
die gulda-nummer habe ich als eher unerheblich in erinnerung, da höre ich aber gleich noch mal rein.
Franz Dobler schrob übrigens einen schönen Text über DJ Hell; scheint ja wirklich ein absoluter Sympathieträger zu sein:
UNSER DJ, DER HELL, DER HELLI hat er, sagt die Kim, die Kim Peers, also die “DJ & Performerin” Kim Peers, der Hell also gesagt zu ihr, als sie sich, der Geier Helli und die Peers, kennenlernten:
“Schoene Menschen machen schoene Musik”.
Also der Wahnsinn, der Hell, wie er es nur immer schafft, so eine Intelligenz mit so einfachen Worten, der Wahnsinn, der Hell, der DJ Hell. Hab ich mir auch schon immer ueberlegt, aber kam nicht richtig drauf. Logisch eigentlich: haessliche Menschen machen haessliche Musik, kleine kleine Musik, weisse weisse. Verblueffend aber meine Erfahrung: dumme Menschen machen nicht immer die duemmste Musik. Ich weiss auch nicht - sowas weiss ja nur unser Hell, der DJ, der Helli vom Chiemsee, also der Geier halt, ihr wisst schon, der Hell, den manche in Berlin, sagt der Hell, sogar “Dr. Hell” nennen, also laut Hell zumindest.
Nichtsdestotrotz, unter den Umsonst- bzw. 1-Euro-Magazinen ist mir das “Vanity Fair” so ziemlich das liebste. Ganz schoen viele Informationen. Und dann aber die Fotos. Also der Hell, ich meine der DJ Hell, und die Kim und die, also die vom Label vom Helli, also vom DJ, der Geier Helli halt, schon ganz schoen schick, also chic natuerlich, jetzt aber echt, das ist kein Schmarren.
busch-man, was willst du trinken?
hoffentlich ruft der helli jetzt nicht bei dir an....
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