Als komplett-resistent gegen pauschale „Die 80er waren Scheiße“-Kritik hab‘ ich mich an dieser Stelle ja schon mehrfach geoutet; eine absolut sichere Bank für großartige Musik aus diesem Jahrzehnt waren für mich ZE Records. ZE war Heimat für James Chance, Was (Not Was), Kid Creole, Material, Cristina, die wundervolle (leider verstorbene) Lizzy Mercier Descloux, Alan Vega (Suicide), Coati Mundi, Garcons, Aural Exciters und Junie Morrison. Funk, Jazz, Downbeat (10 Jahre bevor Massive Attack dieses Genre „erfunden“ haben), elektrischer Rockabilly, Ethno-Grooves, France-Pop und vor allem DISCO, alles unter einem Dach!
Die Original-Compilation Mutant Disco erschien 1981 mit genau 6 Tracks. Whirlyjoe und die anderen Vinyl-Puristen werden mir aber wahrscheinlich verzeihen, dass ich zur CD-Version rate, denn diese hat 25 (hervorragende) Tracks an Bord. ZE-Records wurde 2003 von Michel Esteban, einem der Gründer, relaunched, stellte aber zu meinem großen Bedauern den Betrieb 2007 schon wieder ein. Eine echte Neuveröffentlichung gab es in dieser Zeit immerhin: Michael Dracula – In The Red (zu meiner Schande: Nie gehört! Wer was dazu sagen kann: Ich würde mich freuen!).
Die CD-Version erschien 2003 auf dem wiederbelebten Label als Doppel-CD mit den Titeln des Original-Vinyls und zusätzlichen 19 Tracks. Hat man weder vor 80er-Electronic-Drum-Sounds noch vor puren Disco-Tunes, Bonbon-buntem Karibik-Flair oder plötzlichen Free-Jazz-Einschüben Angst, kann man über die komplette Länge der beiden CDs enormen Spaß haben. ZE veröffentlichte als erste CD des wiederbelebten Labels zudem New York – No Wave, z.T. mit gleichen Interpreten aber deutlichem Schwerpunkt auf die experimentelleren Tunes.
Auf Mutant Disco (A Subtile Discolation Of The Norm) folgte dann zu meinem Erstaunen Mutant Disco #3 (Garage Sale). In den Linernotes zu Vol. 3 kann man dann aber erfahren, dass die erste CD als Vol. 1&2 (da Doppel-CD!) gezählt wurde. …aha!
Vol. 3 erschien 2004 und hält das Niveau, der Schwerpunkt liegt aber eher auf raren Tracks. Die Soundästhetik der 80er macht’s nicht immer leicht, aber so manches gefällt mir tatsächlich heute besser als „damals“. Waren mir Kid Creole & The Coconuts z.B. immer zu künstlich und gutgelaunt, empfinde ich da so manches inzwischen als nahezu zeitlos. Auch schön: Was (Not Was) mit bizarren O-Ton-Samples von Ronald Reagan, der völlig überdrehte Larry Levan Remix von Something Wrong In Paradise (Kid Creole) und die tolle Mission Impossible-Version von Lizzy Mercier Descloux.
Meine Highlights: Bustin‘ Out – Material with Nona Hendryx; French Boy Disco Edit – Garcons; Emile (Night Rate) – Aural Exciters; Fire – Lizzy Mercier Descloux; Outlaw (August Darnel Remix) – Alan Vega und (inzwischen) alle Kid Creole-Tunes. (k-nut)
PS: Zum “Weiterhören“ empfohlen: Disco (Not Disco) auf strut. …leider auch nur antiquarisch erhältlich.
4 Kommentare:
noch zum vinyl: anno 2005 erschienen alle drei volumes noch mal als doppel-lp, jeweils um die 12 tracks stark.
ich finde das zeug auch super, aber eher weil es eben nicht nach 80er klingt, sondern völlig zeitlos. am besten: lizzy mercier, aber auch seltsamkeiten wie don armandos 2nd ave. rhumba band feat. fonda rae. hier kann man echte entdeckungen machen.
ZE finde ich wirklich ganz fantastisch.
Vor allen Dingen das von August Darnell produzierte Sachen. Eine großartiger Überblick ist 2008 auch auf Strut Records erschienen:
Going Places - The August Darnell Years 1974-1983.
Mit Dr. Buzzard Original Savannah Band, Gichy Dan´s Beachwood #9 (klasse, leider superrare Debut-LP), Cristina, Aural Exciters und auch Kid Creole and the Coconuts. Ganz, ganz groß!
Die Mutant Disco-DoCD wurde zwischenzeitlich auch als Einzel-CDs / Vol.1 + Vol.2 wiederveröffentlicht. Da macht die Nummerierung dann natürlich auch wieder Sinn.
Bei so manchem Drum-Sound hört man schon eine deutliche 80er-Soundästhetik raus; aber das geht schon OK.
Mist, die erste Mutant Disco hatte ich demletzt noch im Schaufenster des Second Hand Dealers meines Vertrauens gesehen (war leider schon weg) und die Kid Creoles hatte ich irgendwann mal verhökert.
Live eine Wucht (Loreley 1982), aber auf Platte doch zu langweilig? Muss vielleicht mal in die Darnell Years reinhören, ist ja auch schon etwas her.
Mit Glück bekommt man noch die 1981-er Mambo Nassau von Lizzy Mercier als Ze-Reissue mit extra Tracks und neu verpackt sowie tollem Sound! Hach!
Zum Weiterhören aus dieser Ecke sind die aktuellen Compis des wunderbaren Arthur Russell auf Souljazz und Rough Trade zu empfehlen, sowie z. B. das Dinosaur L-Reissue.
Auf der britischen Seite des Atlantiks gibt es wieder die Pop Group "Y" als Vinyl sowie die Mark Stewart Sachen (Compi auch auf Souljazz), seitdem höre ich auch wieder Pigbag....
An-Dréad
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