Abt.: Disco-Legenden
Hamilton Bohannon:
Dance Your Ass Off!
Dieser Mann gehört längst mal gewürdigt, denn
Bohannon ist ganz klar das Nonplusultra in Sachen Seventies-Style Guitar-Disco. Und dennoch ist Hamilton Bohannon ein weitgehend verkanntes Genie, dessen Platten (viele CDs sind vermutlich gar nie erschienen) oft genug in der Grabbelkiste verramscht werden.
Oder gerne auch auf dem Flohmarkt weit unter Wert verkauft werden, also Augen auf R-Man! Alles aus den Siebzigern lohnt sich auf jeden Fall.
Der gelernte Drummer Hamilton Frederick Bohannon (Jahrgang 1942) spielte in jungen Jahren sogar mal in einer Band mit Jimi Hendrix und Stevie Wonder, veröffentlichte sein erstes Album „Stop And Go“ dann1973 beim Dakar-Label. Dieses Debüt kenne ich leider nicht, Bohannon erwies sich in der Folge aber als ausgesprochen produktiver Künstler, der in der Regel nicht nur einen Longplayer pro Jahr veröffentlichte. Eine vernünftige Discographie ist leider nicht aufzutreiben gewesen, der ansonsten verlässliche Allmusic Guide liefert hier nur Bruchstücke.
Ich besaß mal so rund ein Dutzend Alben, die bis Anfang der Achtziger erschienen waren, habe das Ganze auf fünf wesentliche Scheiben reduziert, alle mit dem typischen Gütesiegel: „All Songs written, arranged, directed and produced by Hamilton Bohannon“. Was genau der Chef auch instrumental zu seinen Produktionen beiträgt, ist oft nicht klar, ich nehme aber mal an, dass er selbst die Songs gesungen hat, und zwar mit einem leicht fisteligen Falsett, was aber kaum störte, da fast immer hypnotische Instrumental-Passagen das Geschehen dominierten oder gleich ganz auf Gesang verzichtet wurde. In späteren Jahren arbeitete er dann zunehmend mit Gastvokalisten wie Carolyn Crawford oder Altrinna Grayson, die man aber wohl nicht kennen muss.
Stilistisch bewegte sich Bohannon souverän von eigenwillig stoischem Funk in Richtung Disco, wobei das dominierende Element immer die Gitarren waren. Oft hört man gleich mehrere, die konsequent ihre lässigen Funk-Licks durchspielen, dabei aber niemals eruptiv heavy klingen, wie ja beispielsweise oft genug bei Parliament/Funkadelic. Bohannon setzte konsequent auf das Repetitive, verzichtet fast immer auf Breaks, was die Songs zum Teil fast schon auf der Stelle treten ließ, was eben diesen superhypnotischen Groove erzeugte. Spex-Schreiber Olaf-Karnik nannte dieses Prinzip
„Disco-Minimalismus“.
1975 war sein bestes Jahr, Nummern wie „Foot-Stomping Music“, „Disco Stomp“ und der faszinierende Midtempo-Burner „South Africa Man“ sind allesamt ein Muss – simpel gestrickt, repetitiv, ja monoton, stampfend und völlig oldschool instrumentiert, mit echten Drums, Orgel/Fender Rhodes und immer diesen messerscharfen Gitarren, ganz selten auch mal mit ein paar Bläsern aufgepeppt. Dieses Prinzip rettete Bohannon dann zwar auch in die Disco-Epoche, klang Richtung achtziger Jahre dann aber immer kommerzieller und chartskompatibler.
Hier also meine
fünf Album-Tipps für Jäger und Sammler im Namen des Guitar-Funk:
Bohannon - Bohannon (Dakar 1975)
Allein der Beginn ist sowas von göttlich: ein schunkelndes, gänzlich unaufgeregtes funky Lick, dann setzt der pumpende Bass ein und der Meister selbst inthronisiert sich mit launig gesungenem “Here Comes Bohannon”. Danach sollte man vor allem auf die Gitarre hören, knappe acht Minuten lang ändert sich nämlich zum Glück fast nichts mehr. Auch der zweite Song „Funky Reggae“ besteht fast nur aus einem Ein-Ton-Funk-Lick der Gitarre, zu mächtig pumpendem Bass und gewohnt unerheblichen Vocals, das Ganze erstaunlicherweise im unteren BPM-Bereich und dennoch absolut floortauglich. Ist übrigens kein Reggae, heißt nur so.
Bohannon - Insides Out (EMI 1975)
Hier noch fast immer im typischen Midtempo-Groove und extrem repetitiv, dazu mit zwei Hits, an die sich Ältere tatsächlich noch erinnern werden: „Foot-Stomping Music“ und „Disco Stomp“
Bohannon - Dance Your Ass Off (EMI 1976)
Lohnt allein schon wegen diesen beiden Songs: “The Groove I Feel”, siebeneinhalb Minuten Guitar-Funk, zwei Gitarren umspielen sich so dermaßen schwerelos, ja psychedelisch, das Ganze auf einem hier schon deutlich schnelleren Conga-verstärkten Funk-Groove – wegen mir dürfte das gerne auch 20 Minuten dauern. Das andere Highlight heißt „Zulu“, ähnliches Prinzip mit pointierterem Beat. Watch out for this Killer-Album, der Titel ist Programm!
Bohannon - Summertime Groove (Phonogram 1978)
Bei Bohannon sollte man sich übrigens nicht von den fast immer richtig hässlichen Platten-Covern abschrecken lassen, hier hat er sich immerhin für drei Bikini-Schönheiten entschieden und bietet außerdem den Disco-Hit “Let’s Start The Dance”, um den das ganze Album gestrickt ist. Hier sorgen die messerscharfen Gitarren für einen unwiderstehlichen Peitschen-Beat, der Gesang wird von Caroline Crawford bestritten. Bohannon ist im Disco-Zeitalter angekommen, erlaubt sich mit dem Titelsong aber noch einmal einen achtminütigen Trip in die Downtempo-Frühphase und bleibt dabei 100%ig funky.
Bohannon - Too Hot To Handle (Phonogram 1979)
Für mich sein letztes richtig gelungenes Album, erneut auf ganz eigener Spur durch den immer seichter werdenden Disco-Dschungel pflügend. Die beste Nummer heißt „Stop And Go“, ist uptempo und hat erneut richtig harte und rohe Funk-Gitarren zu bieten, dazu einige epochentypische Streicher, die aber ebenfalls sehr akzentuiert eingesetzt werden. Und das muss auch einmal gesagt werden: als Producer hat sich Bohannon kontinuierlich verbessert, dieses Album hat einen selten druckvollen und wuchtigen Sound.
Bleibt die Frage: wer spielt eigentlich diese atemberaubenden Gitarren? Bohannon selbst, beseelt von Jimi Hendrix’ Geist? Die Plattencover verzichten leider konsequent auf Credits. Falls also jemand etwas darüber weiß… (Whirlyjoe)
PS: Das Problem können wir gleich an Ort und Stelle lösen.
Bohannon war gelernter Drummer (der gerne mit armdicken Stöcken spielte, habe ich mal irgendwo gelesen). Seine Mitt-70e
r Band bestand aus: Hamilton Bohannon (Drums, Vocals, Percussion), Ricardo Rouse und Leroy Emmanuel (Gitarren), Rod Lumpkin und Mose Davis (Keyboards), Fernando Sauners (Bass) und Lorenzo Brown (Percusssion).
PPS: Wer nun nicht auf das Vinyl zurückgreifen will/kann, dem seien zwei Best-Of C
Ds empfohlen: 1.
The Very Best Of Bohannon (schwarzes Cover/Vollpreis) auf Rhino und vom Meister selbst zusammengestellt. Konzentriert sich auf die frühe Phase bis zirka 77. Als zweites dann
The Collection (türkises Cover/Midprice) mit 14 Tracks von 77-80. Es gibt lediglich zwei Überschneidungen auf den Discs und ein Teil (aber nicht alle) der von Whirlyjoe empfohlenen Tunes finden sich hier.