The Virgin Suicides
In unregelmäßiger Folge will ich mich hier zum Thema taugliche Filmmusik äußern, die irgendwas mit dem shake baby shake-Kosmos zu tun hat. Nachdem R-Man mehrfach seine Begeisterung für den LateNite Tales-DJ-Mix der beiden Franzosen von Air kund getan hat und deren Debütalbum Moon Safari von 1998 ohnehin von jedem vernünftigen Menschen innig geliebt wird, soll es diesmal um den Score gehen, den Air 1999 für Sofia Coppolas Debütfilm The Virgin Suicides gemacht haben – also nicht um den Soundtrack mit den (zugegeben ebenfalls famosen) Popsongs, die im Film zahlreich zu hören sind, sondern um die Original-Musik im Film, wobei Frau Coppola mit den Herren Dunckel und Godin ein mehr als glückliches Händchen haben sollte.
Zum Film nur so viel: für mich ist die seltsame Coming Of Age-Geschichte aus der amerikanischen Suburbia der mittleren 70er Jahre Coppolas frühes Meisterwerk (wobei auch ihre anderen beiden Filme „Lost In Translation“ und „Marie Antoinette“ rundum gelungen sind) und dazu einer der raren Fälle, wo die Verfilmung die litererarische Quelle (von Jeffrey Eugenides) in den Schatten stellt (sehe ich jedenfalls so).
Coppola gelingt mit einer perfect gecasteten Schauspieler Crew (die jungen: Kirsten Dunst, Josh Hartnett, die alten Kathleen Turner mit Mut zu innerer und äußerlicher Hässlichkeit, dazu James Woods in seiner zweifellos besten Performance ever) ein selten stimmiges Bild einer merkwürdigen Epoche, was nur Kleingeister als „Siebziger-Jugendstilaufarbeitungs-Retrohippie-Ästhetik“ (De:Bug) verkennen können. Entscheidende Stilmittel sind zum einen die suggestive Kameraarbeit des großartigen Ed Lachmann, sowie eben die Musik, für die Air einen absolut stilsicheren, hermetisch dichten Score produziert haben, der auf erstaunliche Weise Anklänge von Electric Light Orchestra bis Pink Floyd verarbeitet.
Dabei gibt es nur wenige Tracks im Songformat, sondern - so ist das nun mal bei Filmmusik - eher fragmentierte Soundpieces um die zwei Minuten Länge, die eher moody als melodiös sind. Grandios ist der Opener Playground Love, eigentlich der einzige echte Song und daher auch gleich als Single ausgekoppelt, der sich mit den Vocals von Gordon Tracks (aka Thomas Mars von Phoenix) spätestens beim zweiten Hören mit seiner schläfrigen Melancholie ins Hirn einbrennt, dazu noch schwelgerische Mellotronteppiche und ein Saxophon, das selbst notorische Kannen-Hasser dahinschmelzen lässt.
Und auch die weiteren Tracks entwickeln trotz bescheidener Länge eine sehr intensive Atmosphäre, quasi ein Destillat unterschiedlichster Klänge der 70er Jahre, alles sehr warm klingend und mutmaßlich analogen Ursprungs mit reichlich Orgel, Vibraphon und Moog. Filmmusik darf natürlich auch hemmungslos dramatisch sein, was Air offensichtlich sehr entgegen kommt. Zu den bekannten ELO-Referenzen ergänzen Godin und Dunckel progrockige Keyboardflächen, sanfte Beatles-Harmonien, Chöre und Off-Voices, zu denen sich mühelos Schwermut und Verzweiflung assoziieren lassen.
Die Original-Musik von Air korrespondiert auch perfekt mit den zahlreichen im Film zu hörenden Songs, wobei vor allem die Szene in Erinnerung bleibt, wo sich die Lisbon-Girls und ihre Verehrer gegenseitig sentimentale Pop-Nummern übers Telefon vorspielen: von Todd Rungren über Carole King bis zu Gilbert O’Sullivan. Ebenso gelungen ist die Episode, wo die gestrenge Mutter Tochter Lux zum Verbrennen ihrer Plattensammlung zwingt – da leidet man schon ein wenig mit, wenn die guten Stücke von Kiss und Aerosmith dem Feuer übergeben werden müssen. An anderen Stellen hören wir großartige Songs von Heart und sogar „I’m Not in Love“ macht sich sehr gut als Stehblues beim Schulball.
Sofia Coppola hat mit ihrer Musikauswahl viel riskiert und geht mutig ihren eigenen Weg – gerade, was die Musik ihrer Filme betrifft. So war schließlich auch die Entscheidung, ihr Historiendrama Marie Antoinette mit Punk- und New Wave-Klassikern zu unterlegen, in höchstem Maße gewagt. Gewonnen hat sie aber auch mit dieser mutigen Entscheidung. (Whirlyjoe)
In unregelmäßiger Folge will ich mich hier zum Thema taugliche Filmmusik äußern, die irgendwas mit dem shake baby shake-Kosmos zu tun hat. Nachdem R-Man mehrfach seine Begeisterung für den LateNite Tales-DJ-Mix der beiden Franzosen von Air kund getan hat und deren Debütalbum Moon Safari von 1998 ohnehin von jedem vernünftigen Menschen innig geliebt wird, soll es diesmal um den Score gehen, den Air 1999 für Sofia Coppolas Debütfilm The Virgin Suicides gemacht haben – also nicht um den Soundtrack mit den (zugegeben ebenfalls famosen) Popsongs, die im Film zahlreich zu hören sind, sondern um die Original-Musik im Film, wobei Frau Coppola mit den Herren Dunckel und Godin ein mehr als glückliches Händchen haben sollte.
Zum Film nur so viel: für mich ist die seltsame Coming Of Age-Geschichte aus der amerikanischen Suburbia der mittleren 70er Jahre Coppolas frühes Meisterwerk (wobei auch ihre anderen beiden Filme „Lost In Translation“ und „Marie Antoinette“ rundum gelungen sind) und dazu einer der raren Fälle, wo die Verfilmung die litererarische Quelle (von Jeffrey Eugenides) in den Schatten stellt (sehe ich jedenfalls so).
Coppola gelingt mit einer perfect gecasteten Schauspieler Crew (die jungen: Kirsten Dunst, Josh Hartnett, die alten Kathleen Turner mit Mut zu innerer und äußerlicher Hässlichkeit, dazu James Woods in seiner zweifellos besten Performance ever) ein selten stimmiges Bild einer merkwürdigen Epoche, was nur Kleingeister als „Siebziger-Jugendstilaufarbeitungs-Retrohippie-Ästhetik“ (De:Bug) verkennen können. Entscheidende Stilmittel sind zum einen die suggestive Kameraarbeit des großartigen Ed Lachmann, sowie eben die Musik, für die Air einen absolut stilsicheren, hermetisch dichten Score produziert haben, der auf erstaunliche Weise Anklänge von Electric Light Orchestra bis Pink Floyd verarbeitet.
Dabei gibt es nur wenige Tracks im Songformat, sondern - so ist das nun mal bei Filmmusik - eher fragmentierte Soundpieces um die zwei Minuten Länge, die eher moody als melodiös sind. Grandios ist der Opener Playground Love, eigentlich der einzige echte Song und daher auch gleich als Single ausgekoppelt, der sich mit den Vocals von Gordon Tracks (aka Thomas Mars von Phoenix) spätestens beim zweiten Hören mit seiner schläfrigen Melancholie ins Hirn einbrennt, dazu noch schwelgerische Mellotronteppiche und ein Saxophon, das selbst notorische Kannen-Hasser dahinschmelzen lässt.
Und auch die weiteren Tracks entwickeln trotz bescheidener Länge eine sehr intensive Atmosphäre, quasi ein Destillat unterschiedlichster Klänge der 70er Jahre, alles sehr warm klingend und mutmaßlich analogen Ursprungs mit reichlich Orgel, Vibraphon und Moog. Filmmusik darf natürlich auch hemmungslos dramatisch sein, was Air offensichtlich sehr entgegen kommt. Zu den bekannten ELO-Referenzen ergänzen Godin und Dunckel progrockige Keyboardflächen, sanfte Beatles-Harmonien, Chöre und Off-Voices, zu denen sich mühelos Schwermut und Verzweiflung assoziieren lassen.
Die Original-Musik von Air korrespondiert auch perfekt mit den zahlreichen im Film zu hörenden Songs, wobei vor allem die Szene in Erinnerung bleibt, wo sich die Lisbon-Girls und ihre Verehrer gegenseitig sentimentale Pop-Nummern übers Telefon vorspielen: von Todd Rungren über Carole King bis zu Gilbert O’Sullivan. Ebenso gelungen ist die Episode, wo die gestrenge Mutter Tochter Lux zum Verbrennen ihrer Plattensammlung zwingt – da leidet man schon ein wenig mit, wenn die guten Stücke von Kiss und Aerosmith dem Feuer übergeben werden müssen. An anderen Stellen hören wir großartige Songs von Heart und sogar „I’m Not in Love“ macht sich sehr gut als Stehblues beim Schulball.
Sofia Coppola hat mit ihrer Musikauswahl viel riskiert und geht mutig ihren eigenen Weg – gerade, was die Musik ihrer Filme betrifft. So war schließlich auch die Entscheidung, ihr Historiendrama Marie Antoinette mit Punk- und New Wave-Klassikern zu unterlegen, in höchstem Maße gewagt. Gewonnen hat sie aber auch mit dieser mutigen Entscheidung. (Whirlyjoe)
4 Kommentare:
Hallo Whirly,
gewagt hat Fr. Coppola vielleicht viel bei Marie A., aber ich fand insgesamt den Film doch seeehr langaatmig. Das einzige wo ich mich dran erinnern kann, ist die Szene mit dem Chuck in all den Schuhen ihrer Zeit. Da musste ich doch als Schuhhändler gleich mal zurückspulen ;-)
Hast du eigentlich Material recycled oder komplett neu inszeniert?
ich weiss schon, bei marie antoinette gehen die meinungen weit auseinander. ich erlaube mir trotzdem, den allseits beliebten lost in translation für ihren relativ schwächsten film zu halten, den fand ich phasenweise doch ein klein bisschen langsam.
Veto. 'The Jesus & Mary Cain' vor Tokyos Kulisse !!!!
okay busch-man, dann nehme ich mir lost in translation auch noch mal vor - soundtrack liegt zum glück griffbereit, aus der erinnerung war mir das aber zu shoegazermässig. das meiste ist ja von kevin shields.
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