Montag, 27. Oktober 2008
Spoonful Exotica
Miles Davis - Jack Johnson
Kürzlich frug R-man mal in die Runde, was man denn als Spoonful-Spinner an einem Partyabend in der ersten Stunde auflegt, wenn der betreffende Laden noch leer ist und man quasi fürs Personal und die ersten verirrten Gäste was auflegen muss, ohne sein Pulver zu früh zu verschießen, den Vibe des Abends aber trotzdem angemessen einleiten will.
Mittlerweile arbeitet er mit K-Nut an diesem Projekt, ich eröffne in diesem Zusammenhang lieber ein neues sbs-Kapitel namens Spoonful Exotica, das sich um mögliche (und unmögliche) Grenzerweiterungen des ja ohnehin höchst diffus definierten Spoonful-Sounds kümmern soll. Während K-Nut und der Chef ja in der Regel am funky Kern des Spoonful-Sounds bleiben, knabbern Kollege Patrick und ich ja gerne ein wenig an den Rändern und werfen das eine oder andere Ohr in eher unerwartete Genres.
So auch mit diesem Album, das ich jüngst für drei Euro auf dem Flohmarkt erstanden habe, das Vinyl sogar in sehr erfreulichem Zustand. Miles Davis hat ja ziemlich unterschiedliche Schaffensphasen durchlaufen, ab Ende der 60er ist er mir allerdings am liebsten. Und diesen Soundtrack zu einem Dokumentarfilm über Boxlegende Jack Johnson, kurz nach dem wegweisenden Psych-Fusion-Album Bitches Brew anno 1970 erschienen, halte ich zwar nicht für authentisch spoonful, aber doch absolut anschlussfähig - insbesondere für die angesprochene Situation der ersten Stunde, wo man als DJ ja gerne noch in Ruhe seine Platten auspackt, die Technik checkt, Getränke ordert und ein wenig Smalltalk mit dem Thekenpersonal führt.
Daher sind lange Songs am Anfang schon sehr komfortabel, und hier kriegt man gleich zwei davon, jeweils eine ganze Seite und um die 25 Minuten lang. Doch, da hat man dann auch Zeit, noch mal die Toilette aufzusuchen. Mir geht es vor allem um Right Off auf der ersten Seite, ein einziger groovender Funk-Jam, der eigentlich kaum etwas mit Jazz zu tun hat. Der fette, leicht schleppende, bluesgetränkte Midtempo-Beat von Drummer Billy Cobham wird von einem elastischen, federnden, pumpenden E-Bass (Michael Henderson) umspielt, der einfach höllisch funky und gradlinig ist – keine Spur von protzigen Fusion-Jazz-Kabinettstückchen ist zu erkennen.
Darüber hat die Gitarre von John McLaughlin praktisch freie Hand, und der ansonsten ja gerne zum Abgehobenen tendierende Meister steht hier wirklich mit beiden Füßen auf dem Boden, spielt fette, dreckige Rock-Licks mit WahWah und duelliert sich minutenlang mit der wirklich messerscharfen und für mich schwer psychedelischen Trompete von Miles, die den gängigen Spoonful-Kosmos zwar zweifellos verlässt, als Ganzes ist diese mitreißende Musik aber trotzdem atemberaubend. Selten habe ich jedenfalls bodenständigeren und erdigeren Funk aus der Jazzrock-Ecke gehört. Und da wir hier ja alle keine echten Jazzer sind, hilft euch vielleicht das Urteil des Village Voice-Großkritikers Robert Christgau weiter, der – auch kein überzeugter Jazzfreund – seinerzeit die nur ganz selten verliehene A+-Wertung vergab. Und auch der All Music Guide meint: „This was funky, dirty rock & roll jazz. There is this groove that gets nastier and nastier as the track carries on, and never quits.” Genau so ist es. (Whirlyjoe)
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4 Kommentare:
Ja - das hat was! Sehr gute Ausgrabung, Danke für die Gedächtnisstütze
F-stone
nutzt nur nix, wenn man nichts hören kann ....
Peter HtH
bitteschön:
www.lastfm.de/music/Miles+Davis/_/Right+Off
dankeschön :-)
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