The Keyboard King
At Studio One
Gestern abend mal wieder aufgelegt. Und direkt hatte er mich wieder gepackt, der Sound des Hammond-Mannes aus Jamaika…
Gestern abend mal wieder aufgelegt. Und direkt hatte er mich wieder gepackt, der Sound des Hammond-Mannes aus Jamaika…
"Quite simply, Jackie Mittoo was the most important reggae musician of all time", schreiben die Herren des Rough Guide To Reggae. Und die sagen sowas nicht einfach so. Denn Mittoo war nicht nur an tausenden von Aufnahmen beteiligt, er zog auch viele musikalische Fäden im Hintergrund.
Aber der Reihe nach: US-Rhythm`n´Blues war in den späten 50ern in Jamaika der Renner, Radiostationen aus New Orleans und Miami sendeten bis nach Kingston und der rege Handel zwischen den Ländern brachte die heißen 45´s nach Jamaika, das damals noch von Jazz- und Swing-Big-Bands dominiert wurde. Mitte der 50er wurden die ersten Sound Systems gegründet, erst nicht viel mehr als ein Plattenspieler mit Lautsprecherbox, später dann wagemutig aussehende fahrende Discotheken, die immer populärer wurden. Die Systems kamen natürlich für die Veranstalter (oft gleichzeitig Schnapsladenbesitzer) viel billiger als eine vielköpfige Band. Lawns nannte man die Örtlichkeit, wo ein System aufspielte, am Wochenende gab es diese Parties an jeder Strassenecke in Kingston. Natürlich war eine fette Bassbox wichtig, aber die coolen R&B-45s aus den USA waren unersetzbar. Wer die hatte, der "clashte" den anderen und holte die Leute zu seiner Party. Als in den 60ern R&B von den weißen Teenagern entdeckt wurde und zum Rock`n´Roll mutierte, entstand in Jamaika ein musikalisches Vakuum, sodass Sound System Besitzer wie Clement Dodd und Duke Reid eigene Song nach US-R&B-Vorbild von jamaikanischen Musikern aufnehmen ließen. Die gut ausgebildeten Jazzmusiker brachten ihre Einflüsse ein, von Mento (dem jamaikanischen Folk) über Jazz bis Calypso - daraus entstand Ska, die Musik zur politischen Unabhängigkeit der Insel, die im August `62 gewährt wurde. Enter Jackie Mittoo. Der war schon mit 14 ein brillianter Pianist und spielte in diversen Bands. Studio One Besitzer Clement "Coxsone" Dodd lud ihn als 15-jähriger zu einer Session und schnell war Mittoo fester Bestandteil der Studio One Posse.
Mit acht anderen Musikern aus dem Umfeld gründete er zirka `64 die Skatalites, die eine der einflussreichsten jamaikanischen Bands überhaupt werden sollten, unzählige eigene Ska-Kracher einspielten und für noch mehr als Band im Studio fungierten. Als sich die Skatalites `65 auflösten, arbeitete Mittoo für 3 Jahre als Arrangeur und Songwriter (5 sogenannte “Riddims” mußte er laut Vertrag pro Woche abliefern) für "Coxsone" Dodd´s Studio One und ist auf praktisch allen Songs dieser Zeit an den Keyboards vertreten. Mittoo war also für Studio One das, was Booker T. und Steve Cropper für Stax waren. In dieser Zeit nahm Mittoo sechs Soloalben und zahllose Singles für Dodd auf.
So bestimmte Jackie Mittoo nicht nur den Ska, sondern auch den Rocksteady, eine Art half-speed-ska mit höherem Gesangsanteil, und den darauf folgenden Reggae. In typisch jamaikanischer Art wurden seine Riddims auch Jahre danach noch zu "Versions" herangezogen, sprich: Musiker und Produzenten benutzten seine Instrumentaltracks um sie neu zu „voicen“. 1968 emigrierte Mittoo nach Toronto, reiste aber immer wieder nach Kingston zurück, arbeitete im Studio und spielte in Bands. `89 reformierten sich die Skatalites, aber Jackie Mittoo verstarb leider ein Jahr später an Krebs.
Mittlerweile gibt es einiges an Mittoo-Reissues, aber am besten ist man erstmal mit The Keyboard King At Studio One bedient, einem 15-Track-Karriere-Überblick, zirka 2000 auf dem Soul Jazz Schwesterlabel Universal Sound erschienen. Nur ein Song mit Gesang (Seals & Croft’s Summer Breeze), relativ wenig Ska, dafür mehr von diesem unglaublich bezwingenden, von der Hammond bestimmten, Rocksteady-Reggae-Funk-Soul-Mix. Parallelen zu Booker T. & The MGs und den Meters sind jederzeit hörbar, aber Mittoo´s Sound hat halt Jamaika drin und ist deshalb noch cooler und lockerer in der Hüfte. Dazu kommt ein exzellenter Klang. Wirklich wahrhaft genial. Mittoo´s Musik ist in jeder Lebenslage Balsam für die Seele. Cooler kann man sowas nicht machen. (R-man)
4 Kommentare:
ja!ja!ja! hab ich gestern selber noch gehört...die platte und die skatalites meets king tubby sind dieses jahr meine absolut lieblings früjahr/sommeralben. wird ganz dringend zeit, dass ich mir die auf vinyl besorge.
weiss wer, wo ich "beardsmen ska" von den skatalites als 7" bekomme?
Sachen gibts! Ich habe deinem Kumpel Marcel gestern freudestrahlend Bang Bang in der Version von Tomorrow's Children vorgespielt, da sagte der, daß hättest Du im neulich auch mit breitem Grinsen aufgelegt. -R-man
die begeisterung kann ich teilen und das seinerzeit gleich gesicherte doppelvinyl von "keyboard king" ist auch wirklich superfett.
meine hits: "stereo freeze", "reggae rock" und das geniale "juice box".
auch der vergleich zu stax und booker t passt bestens, war mir vorher so noch gar nicht aufgefallen.
ich möchte diesen beitrag nutzen, um mich zu beschweren. beschweren darüber, dass es diese teilweise höchstgenialen trojan boxsets nur als teure cdkisten gibt...vor allem die mod reggae vol 1&2 hätt ich sehr sehr gern auf vinyl. weiss da wer abhife?
(p.s.: "keyboard king at studio one", "skatalites in dub" und "foundation ska" sind bestellt...)
und noch als brandheisser tip: me&you - brown paper bag/the hoop loop 7"
ganz frisch auf tru thought raus, a-seite feinster instrumentaler reggae, b-seite nen geiles quasibossasamplestück mit angedickten hiphoppigen drums drunter. kaufen!
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