Whirlyjoes Top-Ten 2012
Alben:
Dexys - One Day I’m
Going To Soar
Die beiden klassischen Alben von Dexy’s Midnight Runners
liegen inzwischen 30 Jahre zurück, das disparate Solo-Schaffen von Kevin
Rowland hat mich danach kalt gelassen und entsprechend unmotiviert ging ich
auch an dieses unverhoffte Alterswerk. Aber siehe da: wie schon der verkürzte
Bandname suggeriert: hier klingt alles kompakter und schnörkelloser und
erstaunlicherweise auch fast schon atemberaubend dynamisch, jung und frisch.
Diese Stimme – unnachahmlich, ausdrucksstark, mit romantischer Leidenschaft,
aber auch lässiger Nonchalance. Die Inszenierung ist ganz außergewöhnlich: mit
kleiner Band, Streichern und einem sensationellen Rumpel-Schlagzeug. Die
Stimmung ist ausgelassen und euphorisch, aber auch alterweise-melancholisch. Am
besten sind natürlich wieder die Tanznummern, einmal ganz und gar klassisch
handgespielter Philly-Disco-Sound – ein Traum! Durch die sehr coolen Streicher
klingen manche Songs dann erstaunlicherweise gar nicht so britisch nach
Northern Soul, sondern nach US-Southern-Soul im klassischen Hi Records-Stil.
Das Beste an dem Album ist aber die unschlagbare Qualität des Songwritings:
Rowland schüttelt die so typischen, eigenwillig-eingängigen Nummern so locker
aus dem Ärmel wie einst zu Zeiten ihrer großen Hits. Mein bestes und
meistgehörtes Album 2012. Hätte ich vorab nie und nimmer für möglich gehalten.
Die anderen neun bleiben dann aber alphabetisch geordnet
und ohne Rangfolge:
Can - The Lost Tapes
Das 3CD-Deluxe-Box Set mit komplett unveröffentlichtem
Material ist ein mächtiges Füllhorn mit garantiertem Zeitreise-Versprechen, von
dem man lange zehren kann – und sollte.
Codeine - When I See
The Sun/Complete Recordings 1990-1994
Das opulente Gesamtwerk: mächtig, magisch, majestätisch –
eine angemessen feudale Werkschau einer der wichtigsten Bands des Planeten. Mit
zeitlichem Abstand noch größer und schöner als erwartet.
Dr. John - Locked Down
Dank Black Keys-Gitarrist Dan Auerbach als Produzent und
Mitspieler das überfällige sumpf-psychedelische Meisterwerk des Voodoo-Doktors.
Dojo Cuts feat. Roxie
Ray – Take From Me
Neo-Soul aus Australien mit königlichem Daptone-Vibe: für
Fans von Sharon Jones, Charles Bradley oder der Menahan Street Band eine
sichere Bank.
Holmes – Burning Bridges
Die erhabene skandinavische Schönheit: ergreifend
melancholisch, betörend schön und ganz schwer zu Herzen gehend. Erstaunlich,
dass praktisch jeder Song des Albums auf allerhöchstem Niveau angesiedelt ist.
Lack Of Afro - One
Way: Remixes & Rarities
Der Funk in allen Spielarten: von retro bis modern, war
mir dieses Jahr als DJ ein höchst ergiebiges Reservoir an vielseitigsten
Floorfillern.
The Soul Snatchers –
Scratch My Itch
Euro-Version der Dapkings mit dem eigenem Charles Bradley
bzw. Bobby Byrd-Klon Jimi Bell Martin – bestes Soul-Album, das ich dieses Jahr
hören durfte.
Hannah Williams &
The Tastemakers – A Hill Of Feathers
Deep Soul's Funkiest New Diva und weibliches Pendant zu
Charles Bradley – was hat diese weiße Britin für eine sagenhaft-dreckige
Soulröhre!
Wrongtom Meets Deemas
J - In East London
Wunderbar altmodisches Reggae-Album, das coole Studio
One-Roots mit Prince Jammys frühem Digital-Reggae fusioniert, mit angenehm
schlanken Tunes in feinster Shinehead- oder Yellowman-Tradition.
7-Inch:
Marcel Bontempi – Old Mad Witch EP
Das ganze Jahr hindurch habe ich tatsächlich jeden dieser
vier Songs (alles Cover) bei jeder Gelegenheit rauf und runter gespielt – ein
Rätsel, dass der Mann noch nicht den ganz großen Erfolg hat.
Compilations:
Hier war ich dieses Jahr arg zurückhaltend, würdige daher
umso mehr die großartige Arbeit von Soul Jazz Records, speziell diese beiden
ganz wunderbaren Zusammenstellungen in wunderschöner Aufmachung – Vinyl ist
hier natürlich Pflicht!
Delta Swamp Rock - Sounds
From The South: At The Crossroads Of Rock, Country And Soul,
Country Soul Sisters
-The Rise Of Women In Country Music 1952-1974
Wegen Parteilichkeit und expliziter Vetternwirtschaft
liste ich die liebsten hauseigenen Produktionen mal lieber separat:
Stag-O-Lee: The
Excellos 10"
Cool, dreckig, rumpled – zu Recht schon wieder ausverkauft!
Glitterhouse: Spain –
The Soul Of Spain
In sich ruhende, weise und entspannte Melancholie –
einzigartig sparsam inszeniert und butterweich hingetupft.
Glitterbeat: Ben Zabo – Ben Zabo
Fantastisch-vitaler Afro-Sound mit atemberaubenden
Gitarren – zwar noch beim Label-Mutterschiff erschienen, aber faktisch der
Blueprint zum vielversprechenden Glitter-Afro-Sublabel.
Konzerte (ohne
Rangfolge):
A Place To Bury
Strangers
Calexico
Dynamics
Excitements
Twilight Sad
Holmes
Bellrays
Felix Kubin
S3 (Miles Bonny &
Brenk Sinatra)
Spain (OBS)
3 Kommentare:
Schöne Liste, die mir gleich mal meine Vergesslichkeit vor Augen führt, denn: Dexys sind - natürlich zu unrecht - nicht in meinen Jahres Top Ten.
Günter Ramsauer
Hey Joe,
die Can Tapes werde ich mir sowieso noch in Ruhe vornehmen. Für das Codeine Gesamtwerk brauch ich noch den geneigten Weihnachtsmann, der mir dieses vorbeibringt. Von den diversen Afro-Funk-Sachen ist mir anscheinend doch noch einiges durchgegangen. Klingt - wie immer - mehr als interessant!
An-Dréad
Hallo Joe!
Die DEXYS habe ich gar nicht nicht richtig wahrgenommen, da sie mich beim kurzen reinhören nicht gepackt haben. Das werde ich jetzt dank Deiner Erinnerung nachholen. Auch The Soul Snatchers und Hannah Williams & The Tastemakers lesen sich sehr vielversprechend. Danke für die Tipps!
Schöne Grüße
Heino
Kommentar veröffentlichen