Montag, 17. Dezember 2012



Whirlyjoes Top-Ten 2012

Alben:

Dexys - One Day I’m Going To Soar
Die beiden klassischen Alben von Dexy’s Midnight Runners liegen inzwischen 30 Jahre zurück, das disparate Solo-Schaffen von Kevin Rowland hat mich danach kalt gelassen und entsprechend unmotiviert ging ich auch an dieses unverhoffte Alterswerk. Aber siehe da: wie schon der verkürzte Bandname suggeriert: hier klingt alles kompakter und schnörkelloser und erstaunlicherweise auch fast schon atemberaubend dynamisch, jung und frisch. Diese Stimme – unnachahmlich, ausdrucksstark, mit romantischer Leidenschaft, aber auch lässiger Nonchalance. Die Inszenierung ist ganz außergewöhnlich: mit kleiner Band, Streichern und einem sensationellen Rumpel-Schlagzeug. Die Stimmung ist ausgelassen und euphorisch, aber auch alterweise-melancholisch. Am besten sind natürlich wieder die Tanznummern, einmal ganz und gar klassisch handgespielter Philly-Disco-Sound – ein Traum! Durch die sehr coolen Streicher klingen manche Songs dann erstaunlicherweise gar nicht so britisch nach Northern Soul, sondern nach US-Southern-Soul im klassischen Hi Records-Stil. Das Beste an dem Album ist aber die unschlagbare Qualität des Songwritings: Rowland schüttelt die so typischen, eigenwillig-eingängigen Nummern so locker aus dem Ärmel wie einst zu Zeiten ihrer großen Hits. Mein bestes und meistgehörtes Album 2012. Hätte ich vorab nie und nimmer für möglich gehalten.

Die anderen neun bleiben dann aber alphabetisch geordnet und ohne Rangfolge:

Can - The Lost Tapes
Das 3CD-Deluxe-Box Set mit komplett unveröffentlichtem Material ist ein mächtiges Füllhorn mit garantiertem Zeitreise-Versprechen, von dem man lange zehren kann – und sollte.

Codeine - When I See The Sun/Complete Recordings 1990-1994
Das opulente Gesamtwerk: mächtig, magisch, majestätisch – eine angemessen feudale Werkschau einer der wichtigsten Bands des Planeten. Mit zeitlichem Abstand noch größer und schöner als erwartet.

Dr. John - Locked Down
Dank Black Keys-Gitarrist Dan Auerbach als Produzent und Mitspieler das überfällige sumpf-psychedelische Meisterwerk des Voodoo-Doktors.

Dojo Cuts feat. Roxie Ray – Take From Me
Neo-Soul aus Australien mit königlichem Daptone-Vibe: für Fans von Sharon Jones, Charles Bradley oder der Menahan Street Band eine sichere Bank.

Holmes – Burning Bridges
Die erhabene skandinavische Schönheit: ergreifend melancholisch, betörend schön und ganz schwer zu Herzen gehend. Erstaunlich, dass praktisch jeder Song des Albums auf allerhöchstem Niveau angesiedelt ist.

Lack Of Afro - One Way: Remixes & Rarities
Der Funk in allen Spielarten: von retro bis modern, war mir dieses Jahr als DJ ein höchst ergiebiges Reservoir an vielseitigsten Floorfillern.

The Soul Snatchers – Scratch My Itch
Euro-Version der Dapkings mit dem eigenem Charles Bradley bzw. Bobby Byrd-Klon Jimi Bell Martin – bestes Soul-Album, das ich dieses Jahr hören durfte.

Hannah Williams & The Tastemakers – A Hill Of Feathers
Deep Soul's Funkiest New Diva und weibliches Pendant zu Charles Bradley – was hat diese weiße Britin für eine sagenhaft-dreckige Soulröhre!

Wrongtom Meets Deemas J - In East London
Wunderbar altmodisches Reggae-Album, das coole Studio One-Roots mit Prince Jammys frühem Digital-Reggae fusioniert, mit angenehm schlanken Tunes in feinster Shinehead- oder Yellowman-Tradition.


7-Inch:

Marcel Bontempi – Old Mad Witch EP
Das ganze Jahr hindurch habe ich tatsächlich jeden dieser vier Songs (alles Cover) bei jeder Gelegenheit rauf und runter gespielt – ein Rätsel, dass der Mann noch nicht den ganz großen Erfolg hat.

Compilations:

Hier war ich dieses Jahr arg zurückhaltend, würdige daher umso mehr die großartige Arbeit von Soul Jazz Records, speziell diese beiden ganz wunderbaren Zusammenstellungen in wunderschöner Aufmachung – Vinyl ist hier natürlich Pflicht!
Delta Swamp Rock - Sounds From The South: At The Crossroads Of Rock, Country And Soul,
Country Soul Sisters -The Rise Of Women In Country Music 1952-1974

Wegen Parteilichkeit und expliziter Vetternwirtschaft liste ich die liebsten hauseigenen Produktionen mal lieber separat:
Stag-O-Lee: The Excellos 10"
Cool, dreckig, rumpled – zu Recht schon wieder ausverkauft!
Glitterhouse: Spain – The Soul Of Spain
In sich ruhende, weise und entspannte Melancholie – einzigartig sparsam inszeniert und butterweich hingetupft.
Glitterbeat: Ben Zabo – Ben Zabo
Fantastisch-vitaler Afro-Sound mit atemberaubenden Gitarren – zwar noch beim Label-Mutterschiff erschienen, aber faktisch der Blueprint zum vielversprechenden Glitter-Afro-Sublabel.

Konzerte (ohne Rangfolge):

A Place To Bury Strangers
Calexico
Dynamics
Excitements
Twilight Sad
Holmes
Bellrays
Felix Kubin
S3 (Miles Bonny & Brenk Sinatra)
Spain (OBS)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schöne Liste, die mir gleich mal meine Vergesslichkeit vor Augen führt, denn: Dexys sind - natürlich zu unrecht - nicht in meinen Jahres Top Ten.
Günter Ramsauer

Anonym hat gesagt…

Hey Joe,
die Can Tapes werde ich mir sowieso noch in Ruhe vornehmen. Für das Codeine Gesamtwerk brauch ich noch den geneigten Weihnachtsmann, der mir dieses vorbeibringt. Von den diversen Afro-Funk-Sachen ist mir anscheinend doch noch einiges durchgegangen. Klingt - wie immer - mehr als interessant!
An-Dréad

Anonym hat gesagt…

Hallo Joe!

Die DEXYS habe ich gar nicht nicht richtig wahrgenommen, da sie mich beim kurzen reinhören nicht gepackt haben. Das werde ich jetzt dank Deiner Erinnerung nachholen. Auch The Soul Snatchers und Hannah Williams & The Tastemakers lesen sich sehr vielversprechend. Danke für die Tipps!

Schöne Grüße
Heino