Samstag, 17. Oktober 2009

Strike Up The Band: Chic Vol.1 Da habe ich neulich anlässlich meiner Jubelarie für die D-Funk-Compi ja kühn behauptet, die Extended Version der Fehlfarben von „14 Tage“ in eine Reihe mit den größten Momenten von Chic stellen zu wollen. Das gab dann einiges Rumoren an der Comment-Basis – Grund genug also, mal einen genaueren Blick auf das Schaffen der Herren Nile Rodgers und Bernard Edwards zu werfen. Als sympathiegesteuerter, aber nicht allzu kompetenter Chic-Fan möchte ich dazu den Herrn K-Nut aus Köln um seine Expertise bitten – der Mann ist ein echter Connaisseur mit umfassendem Backkatalog und Liebe zum Thema. Vorab positioniere ich mich zu Chic mal so: klassisch hardrocksozialisiert fiel es mir in jungen Jahren nicht leicht, mich der gelackten Chartsband ernsthaft zu widmen, die Gitarre von Nile Rodgers hat mich dann aber doch überzeugt, obwohl die Hits vom Radio gnadenlos ausgepresst wurden. Andererseits sind es eben doch die Klassiker, die die Jahre bis heute relativ schadlos überdauert haben. Als DJ bin ich mittlerweile immer auf der Suche nach übersehenen Chic-Perlen, bin dabei aber leider kaum fündig geworden. Also, lieber Knutster: wie kam es zu deiner Chic-Leidenschaft? Du warst in den frühen 80ern ja mal ein richtiger Popper, oder? Ich hätte Dir dieses eine Jugendfoto von mir nie zeigen dürfen! Nein, ein Popper war ich nie; ich habe in dieser Zeit tatsächlich alles zwischen Joy Division, Talking Heads und The Clash gehört – aber eben auch ABC und Chic. Die Talking Heads und eben Chic waren übrigens die einzigen Bands, die den Komplettisten in mir zum Vorschein bringen konnten. Im Unterschied zu den Talking Heads hab ich mich bei Chic aber mal von einer Platte verabschiedet. Welche war das? Tongue in Chic von 1982. Die war mir einfach viel zu platt. Lustig. Ich habe mich auch von den späteren Alben getrennt, aber die habe ich behalten. Und zwar wegen des Openers Hangin’, der tatsächlich so eine unterschätzte Perle ist – für mich jedenfalls. Die Gitarre ist flüssiges Gold. Den Rest der Platte kann man aber eher vergessen. Welche Alben sind denn generell wichtig? Essentiell sind definitiv die ersten drei! Chic, C’est Chic und Risqué. Danach wird’s tatsächlich etwas schwierig Chic noch so richtig lieb zu haben. Das was die ersten drei Alben ausmacht, die Eleganz, das chromglänzende, stromlinienförmige und doch so unglaublich energiereiche, sagenhaft groovende (… gerate ich ins schwärmen?) geriet irgendwie schlagartig ins Hintertreffen. Da wurden Chic plötzlich kantig, verloren große Teile ihres Flows und liefen plötzlich den Trends hinterher. D’accord. Sehe ich genauso. Kamen denn nach den drei ersten Alben noch irgendwelche guten Sachen? Ich liebe (trotz dem, was ich eben sagte) Take It Off von 1981. Das halte ich für ein ganz großartiges Album. Die Platte wurde damals als das „New Wave-Album“ von Chic bezeichnet, und so blöd das klingt – stimmt irgendwie! Die alten Chic-Qualitäten in neuem Gewand, lange nicht mehr so leichtfüßig wie in den 70ern aber dafür wieder spannend. Lohnt sich da mal rein zuhören! Die letzte Platte auf der ich das Zusammenspiel Rodgers, Edwards, Thompson so richtig genießen konnte. Überhaupt halte ich die Rolle von Tony Thompson für etwas unterbewertet. Ein unglaublich knapper, präziser aber extrem effektiver Drummer. Believer von 83 ist auch gar nicht schlecht, obwohl sie da das Geboller einführen, das Edwards und Thompson später mit Robert Palmers Power Station bis zum Exzess durchzogen. Die habe ich beide aussortiert. Und bereue es schon. Aber Power Station ist ja wohl unerträglich. Was ist mit dem 92er Comeback Chic-Ism? Ich fand das damals überraschend gut. Hab ich mir selbstredend damals gleich gekauft und fand’s spontan ziemlich langweilig. Seitdem hab‘ ich das nur ganz wenig gehört. Während das ich hier schreibe läuft das Album und ich bin angenehm überrascht – gar nicht sooo übel! Ich hab hier noch die „Chic Mystique“-12-Inch, der kleine Hit des Albums, großartige Nummer. Die Remixe von Leuten wie Louie Vega und Roger S. kann man allerdings komplett knicken. Was braucht man den nun definitiv von Chic? Auch wenn’s frevelhaft klingt: die CD-Compilation Dance Dance Dance (Atlantic). Hey, genau die habe ich auch und bin sehr zufrieden damit. Da ist alles drauf was zählt. Außer den Hits hatten Chic ja leider immer auch reichlich Füllmaterial auf ihren Alben. Das hat man für diese Compi souverän aussortiert. Haben die beiden Dons ja auch selbst zusammengestellt. Wen Chic über ihre Hitphase hinaus interessieren, dem empfehle ich noch The Best Of Chic Volume 2 (Atlantic/Rhino). Die deckt alles Lohnenswerte ab 1980 (abgesehen von Chic-Ism) ab. Da ist dann auch Hangin‘, der einzige gute Song von Tounge In Chic, drauf. …sag’ ich doch. Die ersten drei Alben auf Vinyl zu besitzen ist natürlich auch kein Fehler! Wir sind uns rundum einig. Was ist denn nun mit den übersehenen Chic-Perlen? Hast du da was für mich? Übersehene Chic-Perlen gibt es nicht, das ist das Hauptproblem bei Chic: die Hits sind zwar alle wundervoll und zeitlos aber leider ziemlich totgespielt und der Rest ist bedauerlicherweise mehr oder weniger Füllmaterial. Sind die Balladen denn wirklich alle scheiße? Ja! Ich fürchte auch.

Erst mal Danke für das Gespräch, die ganzen Soloprojekte und Produktionsjobs für Andere nehmen wir uns dann morgen vor. Ich danke Dir. Ich fühle mich jetzt wirklich wesentlich besser! (Whirlyjoe + K-Nut)

8 Kommentare:

r-man hat gesagt…

sauber jungs. ihr könnt mich ja noch positiv überraschen. Chic 7"-es sind übrigens auf jedem mittel sortierten Flohmarkt reichlich zu finden. Auch immer richtig billig.
Frage an die Fachmänner: reicht das kurze Format, oder braucht man da die 12"-Mixe? -R-man

Anonym hat gesagt…

Dies könnte doch der Beginn einer wunderbaren Serie gewesen sein: Die großen und kleinen Themen des Musikuniversums werden in trauten Zwei (oder mehr)-Personen-Gesprächen erledigt.
Jürgen

ff hat gesagt…

.... ja wirklich: ist ne tolle Verpackung, das Interview, und eures ist euch echt gelungen -- macht Spaß zu lesen. Mehr davon!
fat fred

Whirlyjoe hat gesagt…

ich bin ja eigentlich immer für die kurze und knackige 7-inch-version, bei chic geht das aber nicht, weil das gitarrensolo immer erst nach vier minuten einsetzt.

k-nut hat gesagt…

Die 12" beinhalten ja meist die (langen) Original-Albumversionen. "extended" ist das nicht im eigentlichen Sinne. Die 7"-Versionen sind halt einfach nur irgendwann ausgeblendet.
Good Times wird in voller Länge von über 8 Minuten aber wahrscheinlich nur bei völlig entfesselten Disco-Tänzern funktionieren.

...und hey! Fat Fred! Schön Dich mal wieder hier zu lesen.

k-nut hat gesagt…

ps:
...und Finger weg von allen Remixes! Alles extrem übel!

Anonym hat gesagt…

"le freak" ist eine der
wenigen die schon vor
30 Jahren als 7" gekauft
wurde ... aber braucht
man mehr ? ... axel

Hoobs McCan hat gesagt…

Wenn es dann demnächst um die Produzentenjobs von "Nile and 'Nard"
(so Paddy McAlonn in "I Love Music" vom "neuen" Prefab Sprout-Album "Let´s Change the World With Music") geht: Das von den beiden 1981 produzierte Johnny Mathis-Album "I Love My Lady" blieb leider unveröffentlicht.
Hier gibt´s Infos und Hörproben:
http://news.chictribute.com/#category18.