Groß war die Vorfreude auf den Stag-O-Lee Shakedown, nachdem Kollege Whirlyjoe in großen Gesten und kargen Worten von den Besonderheiten des Weserberglandes geschwärmt hatte; groß war allerdings auch meine Ratlosigkeit, was ich an Platten einpacken sollte. Exoten-Hop für die In-Crowd oder massenkompatible Beschallung für ein bierseliges Open-Air-Festival-Publikum? Rockin' Hot Shit fürs Kontrastprogramm oder Funky & Sweaty, um mit einem Großteil der anwesenden Kollegenzunft kompatibel zu bleiben? Fragen über Fragen, die Antwort war dann relativ einfach: die Singlekiste nochmal liebevoll in den Arm genommen, aus Dankbarkeit dafür daß so unglaublich viel reinpasst und dann mit allem vollpacken, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und ab gings nach Beverungen.
Freitag Mittags durfte ich zum Stag-O-Lee Allstar-BBQ dazustoßen, wahrscheinlich um schon mal in versammelter Runde auszuchecken, ob ich ein notorischer Danebenbenehmer bin, denn bis auf Whirlyjoe kannte mich ja niemand, und der kennt mich auch erst seit vier Wochen. Weil ich aber ein smartes Kerlchen bin, besänftigte ich die Eingeborenen durch Begrüßungsgeschenke, Wassermelone für die Dame und Clash-Singles (am morgen in Beverungens Topadresse für Vinylangelegenheiten „Bernds Flohmarktlädchen“ für 50 Cent erstanden) für die Herren, sofort war das Eis gebrochen, ich bekam zu essen und durfte mich durch ChrisPops Plattentasche wühlen. Hier war es sehr Funklastig, und nachdem der Sympathiebonus noch oben drauf kam, verabredeten wir im Überschwang der Gefühle sofort ein gemeinsames Ping-Pong-Set für den Abend (Schallplatten, nicht Tischtennis, aight?).Die Attraktion auf dem Festivalgelände war für uns Fetischisten natürlich erstmal der Soundcruiser, wie beim Autokauf wurden alle durch rational denkende Mitmenschen vorgebrachten Einwände in Sachen Unpraktisch („Warum denn nur ein Plattenspieler? Über den Rasen kannst Du aber nicht mit dem Ding! Ist das Kabel nicht ziemlich kurz?“) durch Augenflimmern und Schnappatmung ausgeblendet, jeder der anwesenden DJs wollte auch mal den Deckel aufmachen, auch mal die Schublade herausziehen und auch mal seine Lieblingsscheibe darauf zum Einsatz bringen. Gestartet haben dann noch etwas im Verborgenen in den Konzertpausen erstmal ChrisPop, ich und der inzwischen eingetroffene Jean Gerard vom Biff Bang Pow Club Hamburg, mit dem ich nach Feststellung des Sympathiebonus sofort im Überschwang der Gefühle ein gemeinsames Ping-Pong-Set für den Abend verabredete.Nach und nach wurde die immer wiederkehrende Frage nach einer Running Order für die DJs lauter, und die hätte schon ihren Sinn gehabt, denn es kristallisierte sich im Laufe des Abends bei jedem die Frage heraus „Wann bin ich denn dran?, bzw. „Wann bin ich denn endlich dran?“, bzw. „Jetzt bin dann aber ich mal dran!“. Einen Plan gab's aber nicht, also musste es irgendwie so gehen. Ganz klar war, daß die hessisch-finnischen Funk-Liebeskrieger The Lovemachines die Soul-Shack eröffnen sollten, leider habe ich die genauso verpasst wie auch mein eigenes Sympathie-Ping-Pong mit ChrisPop und Jean, da ich lieber meine Zeit damit verplemperte, einen nicht mehr gehfähigen, unglaublich schweren Bekannten, Typ Kartoffelsack (den wir aus Gründen der Diskretion nur Stompin' J. nennen wollen. Oder besser S. Johnson.) zu seinem 1,5 km entfernten Zelt zu schleppen, nur um dort mit Entsetzen zu beobachten, wie der angeblich Besinnungslose sich aufrichtete und uns den ganzen Weg zum Festivalgelände wieder hinterhergetrottet ist. Nice one, Johnny. So war ich also erst wieder zum Set von Lutz Soundflat auf der Tanzfläche, und dessen Wall of Sound voller garageninfizierter Sixties-Dancer hätte für mich den Rest des Abends (Morgens?) weitergehen können, denn ich fühlte mich bereits etwas psychedelisch. Allerdings kam schon bald die Ablösung aus dem Hause Moskito, und die fiel an dem Abend für mich dann nach diesem Fuzz-Gewitter deutlich ab, ich glaube mich an Standard-Rockenroll-Gassenhauer zu erinnern, aber die Erinnerungen verschwimmen etwas und zum ersten Mal bekomme ich Zweifel, ob ich überhaupt der richtige Ansprechpartner für diesen Blog-Eintrag bin?
Samstag
Huch, geht’s schon wieder weiter, das letzte Bier war doch gerade mal ein paar Stunden her? Aber wir waren ja nicht zum Faulenzen hier, und so fühlte ich mich mangels Konkurrenz berufen, den Soundcruiser in den Konzertpausen wieder anzuwerfen (immer schön im Wechsel mit den Juke Joint Pimps), damit das hitzeträge Volk etwas Ska, Rocksteady und Rhythm'n'Blues abbekam. Diese wundersame Maschine erwies sich dabei als tatsächlicher Publikumsmagnet, es müssen an diesem Nachmittag geschätzte 15000 Fotos geknipst worden sein, auf denen außer diesem rollenden Musikschränkchen und meinen Socken nicht viel zu sehen ist. Inzwischen war auch die betörende Sister Sookie mit einer Schatztruhe voller Hillbilly-Bop und Rockabilly-Wahnsinn eingetroffen, also bereiteten wir für den nächsten Boxenstopp einen fliegenden Wechsel vor und ab ging die Marie, ich übernahm die Ansagen und sie die Musik. Die Traube um den Cruiser wurde größer, kein Wunder, schließlich hatte die Sister neben den hübscheren Beinen auch jede Menge Top-Tunes am Start. So muss das laufen.Whirlyjoe hatte die Patenschaft für den heutigen Ablauf der DJ-Angelegenheiten übernommen, so gab es zumindest eine grobe Vorstellung davon, wer wann dran war, und dran war erstmal ich nach dem Ende von Kitty, Daisy & Lewis. Dafür hatte ich mir einen ausgeklügelten Plan zurechtgelegt, um das in meiner Vorstellung eh schon auf einer Welle der Rock'n'Roll-Glückseligkeit hereinschwappende Volk gleich mal standesgemäß am Schlafittchen zu packen und in einen tobende Hölle aus Voodoo-Blues-Bop und Fifties-Trash zu überführen. Klappte auch ganz gut, allerdings nur für gefühlte 12 Minuten, dann stand nämlich wie aus dem Nichts der freudestrahlende, eventuell leicht beschwipste und tatendurstige R-Man neben mir, mit einem enthusiastischen „Ich steig mit ein!“ auf den Lippen warf er allen Banalitäten wie Flow und Rhythmus trotzend eine Soul Scheibe auf den Teller und das war's dann mit meinem Plan „Weltherrschaft durch Rockabilly“. Dem tanzwütigen Publikum war es aber offensichtlich schnurz mit was sie unterjocht wurden, Hauptsache gut, also ging es erstmal mit Soul und Funk weiter, bis sich plötzlich ein Affe an einer Liane in die DJ-Kanzel schwang und uns unter primatenhaftem Grunzen Kokosnuss-werfend vertrieb. Alles klar, da konnte es sich nur um Monkeyman Go Go Nuts handeln. Der startete erstmal erwartungsgemäß gut durch mit allerhand Urwald-R'n'B und Aff'n'Roll, allerdings zeigte sich leider nach einiger Zeit das große Dilemma, wenn man die aufgelegte Musik nicht nach ihrer Qualität, sondern nach Textbezügen aussucht, und so sprengte er tatsächlich die Tanzfläche mit einer ganzen Reihe grottenschlechter Soundverbrechen, in denen es irgendwie um Affen ging. Mit „sprengte“ meine ich dabei nicht, daß die Tanzfläche explodierte, sondern daß da auf einmal ein ziemlich großes Loch war. Hmm.
Jetzt war es an den Stag-O-Lee Allstars, hier wieder alles ins Reine zu bringen, was sie auch mit Bravour gelöst haben. Ich ergab mich den Freuden des Tanzes und alkoholischen Mischkonsums, bis ich durch einen flüchtigen Blick zum DJ-Pult ernüchtert wurde: während im Vordergrund Whirlyjoe und K-Nut einen fantastischen Job machten, wühlte sich im Hintergrund ein mir völlig unbekannter Herr in aller Seelenruhe durch meine Plattenkiste und zog mal hier, mal da eine verängstigte 45er aus ihrer vertrauten Umgebung ans Tageslicht. Die Haare auf Krawall gebürstet flitzte ich raketengleich nach oben, um dem Frechdachs die Leviten zu lesen, nur um im letzten Moment zu erkennen, daß es sich bei dem Unbekannten um Lewis Durham, einen der Stargäste des Abends handelte, der auf Anfrage vom Allstar-Team und in Ermangelung eigener Platten beschlossen hatte, mit meinen Platten aufzulegen. Ist ja im Prinzip 'ne dufte Sache, und meine Scheiben stiegen durch die Berührung des 17-jährigen Boy Wonders bestimmt auch im Wert, aber so ganz entspannt war ich dennoch nicht. Angesichts der Tatsache, daß da überall Platten von den verschiedensten Leuten herumlagen und ich mich daran erinnerte, daß mein Ordnungssinn mit 17 auch nicht unbedingt der beste gewesen war, sah ich vor meinem geistigen Auge Horrorszenarien von verschwundenen Bluesbusters Singles, deren Platz in der Box durch irgendjemandes Musical Youth „Pass the Dutchie“-45 eingenommen wurde. Oder schlimmeres. Um den Knaben im Auge zu behalten stieg ich mit ein, und ich muss zugeben, er hat seine Sache gut gemacht, jede Platte dahin zurück wo sie hingehörte und dabei noch ein ziemlich gutes 60s-Ska-Set abgeliefert.
Danach stand das Moskito-Soundsystem wieder in den Startlöchern, und die gefielen mir und dem Publikum mit Ihrem Rundumschlag aus Rock'n'Roll, Rocksteady und Soul heute auch besser als am Vorabend. Dann begann wieder dieser seltsame Nebel durch meine Wahrnehmung zu ziehen, irgendwann nach Ende des Moskito-Sets fand ich mich seltsamerweise schon wieder hinter den Plattenspielern, wo waren denn nur die ganzen anderen DJs? Und was ich da noch aufgelegt habe, weiß ich eigentlich auch nicht so genau, aber es waren immerhin noch etliche Leute auf der Tanzfläche, als ich mich dann gegen halb sechs unter Zuhilfenahme einer Mix-CD aus dem Staub gemacht hab.Alles in allem war's ein Bomben-Festival mit vielen alten Bekannten, noch mehr neuen Freundschaften und einer entspannten Stimmung, an die vielleicht nur die allererste Summer Safari rankommt. Schande über alle, die sich das entgehen ließen. Sollte das ganze nächstes Jahr wieder stattfinden (was ich schwer hoffe), werde ich definitiv wieder mit von der Partie sein. (jens-o-matic)
6 Kommentare:
...zuviel der Ehre! Das mit dem "fantastischen Job" mag ja sein, der bestand meinerseits aber ausschliesslich darin das DJ-Pult mit Kaltgetränken zu versorgen. Das war mir irgendwie viel zu voll da oben. Meinen Plattenkoffer hab' ich lediglich für meinen Soundcruiser-Einsatz geöffnet.
bei mir waren das auch maximal 15 minuten. allerdings hatte ich das glück, beim einlaufen von kd&l dran zu sein, was sich sehr positiv auf die stimmung ausgewirkt hat. lewis stand dann in seinem todschicken retro-outfit zunächst etwas untenschlossen neben den djs, nach zwei aufforderungen einzusteigen, fing er dann wie jens schon berichtete an, 20 minuten lang akribisch ska- und rocksteady-7-inches aus fremden kisten zu fischen. beim auflegen wollte er zunächst keinen kopfhörer - der war nach r-mans einsatz allerdings auch etwas angeschwitzt - dann wurde er aber lockerer, trank sogar ein bier mit und hat sich glaube ich ganz gut amüsiert, während seine schwestern die ganze zeit barfuss tanzten.
macht mich nur fertig. angeschwitzt, naja. ich habe es verdient denke ich, mein auftritt war sicher überarbeitungswürdig. aber der spärliche turnout hat mir sehr zugesetzt. -r-man
dein auftritt war chefhaft wie immer. und echte soulbrüder werden durch transpiration erst richtig zusammengeschweißt. frag mal den affenmann, der sich schweißnass die maske vom gesicht zog, mich ergriffen herzte und sich für sein gorilla-set entschuldigte: "i'm so sorry man - i killed your dancefloor". war aber doch gar kein problem, liam.
Super Bericht vom Jens-o-Matic!!! War wirklich großartig in Beverungen und mein Set am Freitag hat Riesenspaß gemacht. Hatte für Samstag ja auch noch nen Riesenschwung Singles dabei, nur war der Andrang der DJ's wohl etwas pralle, oder? ;-)
Denke, dann holen wir das demnächst mal nach!! Und den Soundcruser wollt ich auch noch mal antesten..!!!! Gruesse an die Stag-o-Lee's
Lutz Soundflat
...jens-o-matic, komm doch mal nach HH. Da holen wir das mit dem Ping Pong nach. apropos: eine Emailadresse. Herrdamit!!
Grüße auch an den anderen Pong: Hallo Chrispop.
Und überhaupt: Klasse, klasse
Jean (unrest) Gerard
Kommentar veröffentlichen