Notting Hill Carnival 2007
Teil 1: Der Samstag
Nach 6 oder 7 Jahren in Reihe wollte ich eigentlich nicht mehr hinfahren zum Notting Hill Carnival. Aber nach 2007 könnte ich jetzt schon für 2008 buchen. Hier ein kleiner Reisebericht in zwei Teilen.
Der Notting Hill Carnival findet immer am letzten August-Wochenende statt, und zwar am Sonntag und Montag (Feiertag). Geschätzte 1,5 Millionen Besucher verwandeln die Gegend um den Ladbroke Grove Stadteil zu einem Hexenkessel. Die Hauptattraktion (neben dem Umzug) sind knapp 50 über ein großes Areal verteilte Soundsystems (DJs). Das zur Erklärung...
shake baby shake Resident Axel und ich brachen am Samstag um 8 Uhr zu relativ humaner Zeit in Beverungen auf und checkten gegen 13 Uhr in meinem Londoner Lieblingshotel ein. Immer wieder schön. Wie schon seit Budapest und Berlin Tradition, führte der erste Gang zur Bar und erst der zweite auf’s Zimmer. Also auf zwei kleine Fosters in die Rossetti Bar und als ich gerade versuchte, meinen alten Kumpel Barti (mit dem ich letztes Jahr beim Carnival war) per SMS zu erreichen, bekam ich eine von ihm, mit den besten Wünschen für gutes Gelingen. Ein kurzes Telefonat später hatten wir ihm das Herz final gebrochen... und stiessen auf ihn an. A true bloodbrother! Next year, mate!
Nach einem kurzen Gang auf das Zimmer machten wir uns in Richtung Notting Hill Gate auf, wo der Soul & Dance Exchange als mehr oder weniger einziger Plattenladen für heute auf der Liste stand. Für knappe 16 britische Pfund ging folgendes in meinen Besitz über:
Maxis von War (Good, Good Feelin im US Disco-Mix), Cerrone (The Only One im Groove Armada Remix) und Mark Rae (das phänomenale Medicine).
7"-es von Eddy Grant (Electric Avenue), Stevie Wonder (Master Blaster), Up Bustle & Out (Little Soldier Boy), Chaka Khan (Ain't Nobody), Grover Washington Jr. (Inner City Blues bw/Ain't No Sunshine), Jimmy Ruffin (Farewell Is A Lonely Sound), KC & The Sunshine Band (That's The Way...), Salsoul Orchestra (Chicago Bus Stop), Eruption (I Can't Stand The Rain); Kalyan (Disco Reggae Pt. 1+2), Musique (In The Bush), Hamilton Bohanon (Disco Stomp), Charles Earland (Let The Music Play), Marvin Gaye (Grapevine, auf Tamla), Temptations (I Can't Get Next To You), Jimmy Ruffin (What Becomes Of A Broken Hearted), Deodato (Also Sprach Zarathustra), Temptations (Ball Of Confusion).
Da meine Tochte die neue CD-Single von 50 Cent mit Justin Timberlake haben wollte, machten uns wir auf den beschwerlichen Weg (der Verkehr!) statteinwärts, nur um bei HMV zu hören, daß das Werk in the UK noch nicht erschienen wäre. Dafür wanderten eine Best Of Café Del Mar Doppel-CD, ein paar Zeitungen und der Reissue der Purple Rain (in der Langversion, mit dem endlosen Geschwurbel) Maxi in meine Tasche.
Für abends hatten wir natürlich das Time Out ausgecheckt und das James Taylor Quartet im Jazz Cafe wegen der verlangten 25 Pfund Eintritt sausen lassen. Dafür entschieden wir uns für zwei Parties im Zentrum, von unserem Hotel leicht zu erreichen. Better Bays im Brown Sugar in Holborn erwies sich im Prinzip als shake baby shake mit besseren Sitzgelegenheiten. Nach einem Reggae-Einstieg (Tinga Stewart, Johnny Osbourne, Dynamics) ging es leicht Soul-jazzig (Can't Keep From Cyring von Mario Bondi!) und funky (Lefties Soul Connection) weiter. Gute Sache, geschmackvolle Musikauswahl, ein toller Laden (Ledersessel!) und nette DJs. Bis auf die Ledersessel eben wie im Stadtkrug. Genau das richtige zum eingrooven.
Ab 23 Uhr sollte im Metro (nahe Tottenham Court Road Tube) der Blow Up Club stattfinden. Von den Leuten hatte ich ein paar CDs, also versprach ich mir einiges von der Nacht. Das Metro erwies sich als Kellerdisco im 70er Jahre Stil, war um 23.30 Uhr auch schon proppenvoll und mit überraschenden 95 % der 300 Leute auf der Tanzfläche (die anderen bestellten gerade an der Theke). Keine Ahnung, ob die Blow Up-DJs sich in 13 Jahren so eine Fanbasis erspielt haben, aber die Jungs konnten auflegen, was sie wollten - der ganze Laden tanzte. Vorwiegend droppten sie britische Musik der letzten 40 Jahre, von den Kinks über The Jam bis zu Franz Ferdinand. Schließlich erwischte ich mich, wie ich zu Paperback Writer (Spoonful-kompatibel/und die Beatles sind nun wahrlich nicht meine Lieblingsband) tanzte und dieses breite Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekam.
Die Souldichte nahm zu, irgendwann spielten sie Pressure Drop, Hard To Handle (von Patti Drew) und andere Groover. Dann wieder Changes von Bowie, White Stripes, T. Rex und die Stones (Jumping Jack Flash hat selten so gut geklungen). Gegen 3 Uhr war ich so gut drauf, daß ich zu Axel sagte: „Heute nacht will ich hier das Licht angehen sehen und als letzter raus maschieren!“ Um 4 Uhr schloß die Bar und Axel verdrückte sich in Richtung Hotel. Irgendwann vertraute sich mir ein besoffener Brite an: " That DJ is shit!" Ich gab ihm 5, nur um ihn loszuwerden und tanzte noch eine Stunde weiter. Als vorletzten Tune spielte der DJ Watts Breakaway von Johnny Otis (einem meiner Faves!) und I had the time of my live! Als letzten Song dann Larry Ellis, eine rare 45, das Licht ging an und die letzten 10 Versprengten wurden sanft auf die Strasse entlassen. Nicht ohne dem DJ vorher die Hand zu schütteln und ihm zu danken. Um halb 6 Uhr wurde mir das Hotel aufgeschlossen und da gerade die Croissants geliefert wurden, entbrannte ein harter Kampf zwischen mir und dem Doorman um ein Stück Teig. Nur als ich ihm mehrfach versicherte, daß ich in diesem Zustand auf keinen Fall zum Breakfast erscheinen würde, ließ er mich ziehen. Mit Croissant.
Kurz danach lag ich im Hotelbett und gehörte in diesem Moment zu den glücklichsten Menschen dieses Planeten (alle Lottogewinner, frische Väter etc. mal ausgenommen). So großartig war dieser Abend! (R-man)
5 Kommentare:
super. ich seh dich vor meinem geistigen auge leichtfüssig durch die londoner nacht tanzen. vielleicht ist der beste platz im club doch nicht hinter den decks?
NEID.
auch wenn r-mans einkaufspolitik immer seltsamer wird (electric avenue? master blaster?? that's the way aha aha i like it aha aha??? besorg dir doch ne fetenhits, da ist das auch alles drauf:)!)
oder hast du sonst wirklich alles???
chrispop, du hast den nagel auf den kopf getroffen. ich hatte alles, bis auf electric avenue und master blaster. die haben mir noch gefehlt. jetzt kann ich aufhören. ein gutes gefühl irgendwie... r-man
Hallo Gungens,
neben der Leistung von Diego - der kleine Brasilianer hat heute Abend wohl sein bestes Spiel im Werdertrikot gemacht - beeindruckt mich der Ansatz vom R-man immer wieder. Der Mann scheint absolut konsequent & feist sein Ding zu machen; ich freu' mich jedenfalls wie Bolle auf Dezember ...
Oh,je, da packt mich doch glatt das Fehrnweh. Wie immer gut geschrieben und wenn man es liest tauchen diese ganzen Bilder vor dem geistigen Auge auf, fast, als wäre man dabei gewesen. Aber wie immer schön, auf diese Weise daran teilhaben zu dürfen.
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