Compi-Wochen bei
shake baby shake
Country Got Soul
Heute präsentieren wir an dieser Stelle noch einmal zwei der wohl schönsten und wichtigsten Compilations der letzten Jahre. Unglaublicherweise erschien das erste Volumen von
Country Got Soul bereits 2003 – wie doch die Zeit vergeht….
Habe zu diesem Anlass mal meine beiden zeitgenössischen Reviews rausgekramt und ein wenig geremixt.
Country Got Soul
Verfänglicher Titel – grandioses Album! Das vorweg, denn „Country“ im Titel wird vielleicht doch manchen dogmatischen Soulboy und erst recht manches Soulgirl abschrecken. Ich hätte das eher „Deepest Southern Soul“ oder so genannt. Der Trick bei der Sache ist allerdings die Tatsache, dass die hier vertretenen Sänger und Sängerinnen eben von weißer Hautfarbe sind, man das aber nur selten hört. Zum Beispiel der begnadete Eddie Hinton, den man hier jeder Zeit mit Bobby Womack, also nicht irgendeinem Soul-Sänger, verwechseln könnte.
Die Songs stammen überwiegend aus der zweiten Hälfte der Sechziger, entstanden in den Südstaaten, wo es einen doch recht fließenden Übergang zwischen weißer Country Music und schwarzem Soul gab. Zwei maßgebliche Künstler, die sich immer an der Nahtstelle dieser beiden nur scheinbar so unterschiedlichen Genres bewegt haben, dürfen hier natürlich nicht fehlen: Dan Penn, hier mit einer wahren Perle von sinfonischem Laidback-Soul mit opulenten Bläsern und Streichern, sowie Tony Joe White, von dem ich jedes Mal, wenn ich ihn höre, behaupte, dass er mein absoluter Lieblingssänger ist – so auch dieses Mal bei „Did Somebody Make A Fool Out Of You“.
Und ich will es noch mal betonen: das Country-Element ist in diesen 15 tollen Songs eher latent vertreten, dagegen klingt jemand wie George Soule fast wie von Willie Mitchell produziert, mit transparentem Groove und knackigen Bläsern. Weitere Entdeckungen sind Donnie Fritts, der auch schon Songs für Sam & Dave geschrieben hat, hier laidback-funky mit genialer Gitarre, sowie Sandra Rhodes, die Eingeweihte als Background-Sängerin der großen Ann Peebles kennen. Ihr famoses „Where’s Your Love Been“ dürfte mancher Clubgänger noch in der ebenfalls sehr guten TripHop-Version von Heliocentric World kennen. Und der Opener von Larry Jon Wilson, der als verschollener Bruder von Lee Hazlewood durchgehen könnte. Und der mysteriöse Razzy mit einer wirklich selten upliftenden Soul-Nummer „I Hate Hate“, bis heute einer meiner meistgespielten Tunes ever...
In den wenigen schwächeren Momenten klingt die Musik dann auch mal wie die von Reuben Howell, der die musikalische Balance dann doch verloren hat und belanglosen US-Schlagerkitsch zwischen Blue Eyed Soul, Glen Campbell, B.J. Thomas und 5TH Dimension abliefert. Ist aber zum Glück der einzige Schwachpunkt auf „Country Got Soul“, für dessen Existenz ich dem britischen
Casual-Label wirklich von Herzen dankbar bin.
2004 ging es dann endlich weiter:
Country Got Soul 2
R-man meinte nach den ersten Hördurchgängen ja zunächst, die Fortsetzung könne mit Teil 1 nicht ganz mithalten, er hat sich aber inzwischen korrigiert. Das möchte ich auch meinen, der hohe Qualit
ätsstandard bleibt gewahrt und auch personell kann eine beachtliche Kontinuität attestiert werden. So sind mit Tony Joe White, Dan Penn (mit dem nagelneuen „Heavy Duty“) und Eddie Hinton die drei zentralen Akteure ebenso wieder dabei wie Larry Jon Wilson, Donnie Fritts und Sandra Rhodes.
Auch diesmal wieder auf der Gewinnerseite: der große Eddie Hinton, den man stimmlich erneut mit Bobby Womack verwechseln könnte und der mit „It Can’t Be Mine“ hier auch den schönsten Song zu bieten hat. Auch klasse: Shirl Milete und Eric Quincy Tate, letztere (das ist eine Band) wirklich funky. Prominente Namen sind außerdem Bonnie Bramlett (Delaney & Bonnie), Bobby Gentry, die als einzige wirklich nach Country klingt, sowie – man glaubt es erst gar nicht – Townes Van Zant. Sein „Black Widow Blues“ von 1966 ist tatsächlich eine stomping Soul-Nummer mit üppigen Production Values, die ganz hervorragend in diesen ungewohnten Kontext passt. Wer also das erste Volume von „Country Got Soul“ zu schätzen wusste, kann auch hier garantiert nichts falsch machen.
Und so warten wir bis heute sehnsüchtig auf
Volume 3. Wollte da nicht Jeb Loy Nichols mal rangehen? Stag-O-Lee, übernehmen sie…. (Whirlyjoe)
PS.: Ein 3. Volumen ist wohl im Schrank von Jeb Loy.
Stag-O-Lee wollte ja Doppel-Vinyl-Versionen von den ersten beiden veröffentlichen, aber das war ein finanzieller und legaler Albtraum. Casual war Teil einer Firmengruppe, die vor allem mit Livevenues und Pubs sein Geld macht. Am Label hat man schnell das Interesse verloren und die Produktion schon wesentlich früher als nach 5 Jahren (so die übliche Vertragslaufzeit) eingestellt. Beide sind nicht mehr regulär in print und ich denke, die Preise werden in die Höhe schnellen (R-man)