Abteilung Kamingespräch
Little Feat im Trialog
Part 3
Da sitze ich (Whirly) nun ganz allein in der Schweiz, Bluetwang testet das Bier in Hyderabad und R-man hat sich mal schnell für ein langes Party-Wochenende nach London abgesetzt. Okay, ich bin auch schon längst wieder zuhause im verschneiten Schwabenland. Das Internet lässt die Welt aber dennoch zusammenrücken, weshalb wir mit dieser dritten Folge unsere Little-Feat-Werkschau dann doch zu einem hoffentlich würdigen Abschluss bringen, wenn auch nicht mehr gemütlich vor dem knisternden Kaminfeuer.
Time Loves A Hero (1977)
Whirlyjoe: Fängt gar nicht mal schlecht an: „Hi Roller“ ist mit Orgel, Bläsern und Bratzgitarre ja richtig funky geraten. Eine gute Nummer. Aber dann geht es mit dem Titelsong gleich richtig abwärts: viel zu clean produziert, wieder mit dieser Steely Dan-Verchromung und komischen Marimbas im Weichzeichner-Format. Statt Slide-Dominanz regiert hier das slicke E-Piano. Licht und Schatten wechseln dann rasant: „Rocket In My Pocket“ ist Lowell pur, relativ dreckig und mit fettem Slide im Sound. Fühlt sich gut an. Dann das nächste Tief: spanisches Gitarren-Intro, dann Fusion-Murks wie Weather Report oder Spyro Gyra, grauenhaft. So viel zu ersten LP-Seite. Was meint ihr, Jungs? Ach so, ihr nutzt ja CDs und -I-Pod….
Bluetwang: Lowell George soll bei den Aufnahmen wegen Missbrauchs verschiedener Substanzen schon nicht mehr auf der Höhe gewesen sein und stand wohl auch deswegen im Kampf gegen die Jazzeinflüsse auf verlorenem Posten. Das hat dann einen Tiefpunkt wie „Day At The Dog Races“ wohl auch erst ermöglicht. Sein Einfluss auf das Werk ist jedenfalls ziemlich gering. Der Opener ist gleich das Highlight. Da bin ich bei dir, Whirly. Bei den folgenden Tracks klingen vor allem auch die Bläser zu synthetisch, mir kommt irgendwie neben Steely Dan auch immer wieder Boz Scaggs in den Sinn. Red Streamliner hat ein cooles Intro und der Streamliner beginnt danach ganz gemütlich zu rollen. Eigentlich auch ein guter Song. Wenn aber der Backgroundgesang von Michael McDonald einsetzt, ist mit für mich als McDonald-Hasser der Griff zum I-Pod Pflicht und ich springe auf den nächsten Song. Und der sollte mir zumindest vom Titel her, im Moment ziemlich nahe liegen. Trotzdem finde ich den Zugang weder musikalisch noch textlich. Spuren hat Lowell George wieder in „Keepin' Up With The Joneses“ hinterlassen, aber Geigen passen einfach nicht zu Little Feat und trüben den Spaß doch arg. Anekdote: Das abschließende Liebeslied gab es bereits 1978 als „Vermisse di“ in einer berndeutschen Version von Polo „National“ Hofer. Seine zweite Coverversion von Little Feat. Er gibt auf seiner Website denn auch Little Feat und The Band als Lieblingsbands an. Keine schlechten Einflüsse!
R-man: Der liebe Whirlyjoe… mal wieder einen Seitenhieb des Vinylverehrers auf die vermeintlich „minderwertigen“ Digitalbenutzer. Lass dir gesagt sein: ich hatte Time Loves A Hero schon auf Vinyl, da hast du dir noch überlegt, welche Folge deiner Benjamin Blümchen MC-Sammlung du als nächstes in den Recorder steckst.
Über die Platte wurde eigentlich schon genug geschrieben. Ich könnte zur Diskussion auch nichts wirklich positives hinzufügen, und mache es wie Lowell George und halte mich da raus: der hat bei Live-Gigs stets die Bühne verlassen, wenn Little Feat zu Day At The Dog Races ansetzte.
Whirlyjoe: Ja, aus dir spricht mal wieder erfahrene Weisheit, R-man. Ich muss jetzt erstmal die Schallplatte umdrehen, finde auf Seite 2 aber außer dem Streamliner auch nichts interessantes mehr. Und Bluetwangs Einwände treffen die Sache auf den Punkt. Irgendwie klingt das schmierig. Trörööö!
Waiting For Columbus (Live) 1978
Whirlyjoe: Doppel-Live-LP, Gatefoldcover. Hat man im I-Pod so nicht, also erkläre ich es euch. Und das Cover an sich ist ja schon so göttlich, eines der schönsten von Neon Park. Dessen Portraitfoto ist innen sogar abgebildet. Sowas gibt es soweit ich weiss auch von keiner anderen Band. Livealben braucht ja eigentlich kein Mensch, dieses hier aber schon. Der Sound ist sagenhaft, druckvoll, transparent, homogen. Wie wenn man dabei gewesen wäre. Aufgenommen 1977, also schon im Abwärtsschwung. Den hört man hier aber nicht. Dafür aber die Tower Of Power Horns und Lowells endlich mal wieder mächtige Slideguitar. Okay, die Synthiesounds lassen einen zwischendurch schon mal erschaudern, aber sonst gibt es hier nichts zu bemängeln, oder Jungs?
R-man: Ja, Hammerscheibe. Muss man als Feat-Fan haben, auch wenn mein Verhältnis zu Livealben sich ebenfalls etwas getrübt hat. Aber ein paar Teile aus dieser Zeit wird man immer in Ehren halten (Allman Brothers Band, The Band und Van Morrison fallen mir spontan ein). Satte, fette und funky Liveversionen der Feat-Klassiker, da hat sich die Band ein letztes Mal ganz enorm zusammen gerissen. Und was hat man sich damals auf die Scheibe gefreut, ein Jahr vorher haben sie noch in der Grugahalle beim WDR Rockpalast mächtig abgeräumt. War das eine Nacht… Man war noch jung und natürlich hatte man morgens um 3 mehr getrunken, als man eigentlich wollte (da hat sich auch 30 Jahre später nicht viel geändert),aber spätestens nach dem WDR-Gig war man beinharter Fan. Ganz klar: Top-5 Livealbum der 70er.
Bluetwang: Lieber Whirly. Vinyl in Ehren. Aber ohne I-Pod müsste ich hier auf Little Feat verzichten. Es gibt Lebenssituationen, da muss man mit der Zeit gehen und dabei einen kurzen positiven Gedanken an Steve Jobs verschwenden. Gleich vorneweg. Ich bin ebenfalls gar kein Freund von Liveaufnahmen. Sie dürften in meinen CD-Gestellen einen verschwindend kleinen Teil ausmachen. All die immer wieder genannten Live-Highlights begeistern mich, obwohl ich ein häufiger Konzertgänger bin, in den seltensten Fällen. Mit Waiting for Columbus gelingt das wenigstens einigermassen. Häufig sind mir aber auch bei Little Feat die Originalversionen der Songs lieber, als die immer wieder in Fusion-orientierte Jams abgleitenden Liveversionen. Das funktioniert zum Beispiel bei Spanish Moon, auch dank den Tower Of Power Horns in Hochform. Auf der Deluxe Ausgabe von 2002 ist das vorher unveröffentlichte "On Your Way Down" ein weiteres Highlight. Schon auf "Dixie Chicken" ein Winner, wird es hier in einer stark gebremsten und wesentlich bluesigeren Version gereicht. Muss man haben, aber den Weg in den Player findet sie dann trotzdem nicht allzu häufig.
Down On The Farm (1979)
Whirlyjoe: Bei der Veröffentlichung war Lowell schon tot, daher die Widmung auf dem Backcover: “This is from us all to Lowell, straight from the heart. Good-bye, friend. Be free.” Und trotz der angebrachten Sentimentalität finde ich das Album vorzüglich. Bestes Neon Park-Cover (neben der Raritäten-Sammlung „Hoy-Hoy“), bestes Intro: „Shut up, Ochsenfrosch!“. Und reichlich tolle Songs, zum Beispiel das smoothe „Perfect Imperfection“. Oder das ebenso programmatische wie anregende „Six Feet Of Snow“, Lowells letzter großer Wurf. Da klingen sogar Bill Paynes objektiv scheußliche Synthie-Sounds im Duell mit der superflüssigen Pedal Steel zur Abwechslung mal richtig klasse. Okay, auf Seite 2 kommt dann nur noch aalglatte Grütze, aber die erste Seite ist durchgehend gelungen. Für mich also ein würdiges Vermächtnis, obwohl Robert Christgau seinerzeit in der Village Voice „not a bad Doobie Brothers parody“ schrieb.
R-man: Lieber Joe, unsere Meinungen sind doch ziemlich deckungsgleich. Das „Shut Up!" Intro fand ich auch schon immer grandios und hat so manches Mixtape (C-90 -wenn man mutig war. Die letzten 20 Minuten waren immer die schwersten) eröffnet. Schon deswegen habe ich das Album in positiver Erinnerung. Die ersten 4 Songs (Down On The Farm, Six Feet Of Snow, Perfect Imperfection und Kokomo) sind auf jeden Fall ein toller Einstieg in die letzte ordentliche Feat Scheibe. Noch während der Aufnahmen erklärte Lowell die Band für aufgelöst und tourte sein Soloalbum Thanx I’ll Eat It Here. Während dieser Tour verstarb er an einem Herzinfarkt. Schade drum, aber so reiht sich Lowell George in die Reihe der selbstzerstörerischen Typen ein, deren Musik ich immer so geliebt habe. Wie Gram Parsons, Nick Drake, Townes Van Zandt, Tim Hardin oder Gene Clark.
Bluetwang: Vermutlich für mich das unbekannteste und am wenigsten gehörte Little Feat Album. Darum fasse ich meinen Kommentar kurz. Bei „Six Feet Of Snow“ fallen mir als erstes die von Whirly akzeptierten Synthie-Sounds auf (remember My-Toot-Toot von Denise Lasalle?). Für mich murksen sie den Songs nach den ersten Tönen ab. Ähnlich ist es bei „Straight From The Heart“. Die Slide wird vom Synthie zugekleistert. Schade. Die drei letzten Songs konnte ich mir dann nicht von Anfang bis Ende durchhören. Grütze! Für mich bleiben „Perfect Imperfection“, mit Abstrichen „Be One Now“ und vor allem „Kokomo“. Den Rest braucht man nicht!
Und jetzt geht’s an den Pool!
...sagt Bluetwang von Indien aus. Frechheit, wenn man zeitgleich in der bundesdeutschen Eishölle friert. Womit wir unser eidgenössisch-indisch- und weserbergländisch-schwäbisches Little Feat-Symposion dann auch beenden. Denn auf die Reunion-Releases der Band ohne Lowell wollen wir dann doch lieber verzichten. Wer jetzt einsteigen will, sollte unbedingt mit „Dixie Chicken“ beginnen.